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Politische Geschichte Deutschlands im neunzehnten Jahrhundert / von Georg Kaufmann
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Die Emser Depesche. Die Kriegserklärung. 625

den Bann des Zweifels, gab uns die Gewißheit, daß wir unsnichts bieten lassen würden, daß die Leitung unserer Politik insester Hand liege. Die Franzosen fühlten das den Worten eben-falls an, vermochten in der Erklärung auch kein beleidigendesWort zu finden, aber sie waren schon zu stark in Erregung, hatteuzu sicher darauf gerechnet, daß Preußen denn daß Deutschland hinter Preußen stehe, wollten sie nicht glauben vor ihremPoltern erschrecke uud sich demütige. Daß das nun nicht geschah,daß sich der blinden Wut ein ruhiger Widerstand entgegensetzte,empfanden sie als eine Beleidigung. Einige hervorragende Männerhatten den Mut, fie zu einer ruhigeren Betrachtung der Lage zuermähnen, und namentlich hat sich Thiers in diesen Stürmen als einStaatsmann im großen Sinne und als ein Held bewährt. Aberseine Mahnungen waren vergebens, die Leidenschaft übertönte dieStimme der Vernunft. Freilich waren die Franzosen auch wirklichschon zu weit gegangen, zu laut aufgetreten, um sich noch ohneDemütigung zurückziehen zu können.

Unter dem Einfluß dieser Erregungen und Verstimmungen,die durch klerikale und persönliche Intriguen verstärkt wurden, beriefdie kaiserliche Regierung am 14. Juli die Reserven ein und erklärteam 19. Juli in Berlin förmlich den Krieg. In Deutschland erhobsich nun das ganze Volk in einmütiger Entschlossenheit nureine kleine Gruppe von Ultramontanen unter Führung desDr. Sigl versuchte Bayern seiner Pflicht abwendig zu machen, wasihnen aber nicht gelang. Wir waren fern von jedem Übermut,fürchteten eher zunächst in manch schwerer Schlacht zu erliegenund den Feind unsere Fluren verwüsten zu sehen, denn Frankreichs Heer galt für das erste der Welt. Aber wir waren auch ent-schlossen, alles zu ertragen und zu kämpfen bis auf den letztenMann. Es war unserem Volke einer jener seltenen Augeublickebeschieden, in denen auch die gewöhnlichen Naturen, die sonst inden alltäglichen Sorgen aufgehen, von einer großen Pflicht, vonder Hingabe an Volk nnd Vaterland ergriffen und über sich selbsterhoben werden.

Und nun folgte der Krieg mit feinen unerhörten Erfolgen.Napoleon hatte zwei Armeen gebildet: die eine stand im Elsaß

Kaufmann, polit, Geschichte. 4i)