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Politische Geschichte Deutschlands im neunzehnten Jahrhundert / von Georg Kaufmann
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Die letzten Jahre Wilhelms I. Kolonien.

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Er hatte auch in diesem letzten Jahrzehnt nicht bloß die Kraft be-wahrt, äußerlich die Pflichten des Amtes zu erfüllen, sondern anmanchen Entscheidungen auch noch inneren Anteil genommen.Schwer ist freilich zu fagen, in welchem Umfange dies zntraf, dochwird man das bei Akten wie den Botschaften über die Not derarbeitenden Klassen vom 17. November 1881 und 14. April 1883sicher annehmen können. Manchen Beschlüssen der Parlamentegegenüber erwachten damals in ihm von neuem die Erinnerungenan die Konfliktszeit, und 1882 sagte Bismarck, der König wollenicht länger mit dem Kreisrichter die Herrschaft teilen und lieberdas Parlament immer von neuem auflösen. Noch stärker tratenseine kirchlichen Bedürfnisse hervor lind wurden von Vertreterneiner dogmatisch gebundenen Gläubigkeit benutzt, um den Königauch in der kräftigen und hoffnungsreifen Blüte der evangelischenTheologie Gefahren sehen zn lassen. Seine Äußerungen über dasApostolikum zeigten, daß ihm diese Dinge ganz fern lagen, aber zu-sammen mit gewissen Maßregeln des Kirchenregiments verstärktensie das Gefühl, daß auf allen Gebieten die Reaktion siege.

Denn es waren die Jahre, wo Bismarck nach dem Bruch mitden Liberalen meist mit einer aus den Konservativen und deinCentrum gebildeten Majorität regierte. Die Liberalen widersetztensich der wirtschaftlichen Reform, und dabei verloren sie ihre Kraft ingegenseitiger Befehdung und bei Fragen, denen sie mehr Wert bei-legten, als die spätere Erfahrung rechtfertigte. Neben den Gesetzenüber Zoll- und Steuerwesen, bessere Besoldung der Beamten, sowieüber die Kommunal- und Schullasten, und die Bekämpfung socialerNotstände gewannen die Debatten um die Militürverfasfung diehöchste Bedeutung.

Auch die Erwerbung von Kolonien leitete Bismarck nochein, doch nicht mit ganzer Kraft und gehindert durch die theore-tische Abneigung der in Fragen des Handels und Verkehrs ein-flußreichsten Redner des Reichstags. Was wir so gewonnen haben,bereitet zur Zeit fast mehr Sorgen, als es Hoffnung und Ge-winn gewährt, und das kann sich auch erst ändern, wenn wir eineFlotte besitzen, die der Größe unserer Handelsmarine und unsererHandelsinteressen entspricht. Aber diese Fragen sind erst in dem