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Die deutsche Kunst des 19. Jahrhunderts : ihre Ziele und Thaten / von Cornelius Gurlitt
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Der Zug nach Rom .

Rom als Kunststadt.

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zogen, die Fürsten und die Völker, die der alten Kirche Gläubigenund deren Gegner. Goethe zog dahin als Schüler Oesers, desMalers, als Schüler Winckelmanns, des Kunstgelehrten; nachdemes ihm die Gewalt der Antike, zuerst in der Mannheimer Samm-lung voil Gipsabgüssen, angethan hatte; nachdem seine Sehnsuchtnach Form, nach sinnlich-ästhetischer Kultnr, nach einem über dasCharakteristische gestellten Gleichmaß unwiderstehlich geworden war;ein Sturmlaufen aus das Echte und Rechte in den Dingen ihngepackt hatte.

Und all das Sehneu sollte Italien, das sollte Rom befriedigeil.Auch hieriu ist Goethe der echte Sohn seines Volkes. Tausendeseheil in seinem Wandel einen Sieg, tansende einen Niedergang. Erhatte des Volkes Tugenden lind Fehler, seine Neigungen und seineSchwächen. Denn ein großer Teil deutscher Kunstgeschichte auchim 19. Jahrhundert hat sich in Rom abgespielt. Die Verjüngerdeutschen Schaffens zogen fast alle dorthin: Carstens, Cornelius,Overbeck; die Landschafter, die Bildhauer; Feuerk>ach, Böcklin ,Klinger und so viele, viele mehr.

Es ist daher wohl gnt den Boden zu uutersuchen, uach demsie alle strebten, in den das deutsche Volk so unermeßlich reicheSaat streute. Nicht daraus, welche Fülle von Frucht dort auf-gespeichert ist, sondern daraus, inwiefern die Frucht diesem Bodenselbst entsproß. Ich spreche hier nicht vom alten Rom , weder vonjenem der Konsulen und Cäsaren, des Augustus und des Kon-stantin, noch jenem frühester christlicher Staats- und Kirchenherrschaft.Längst haben uns die Archäologeil darüber belehrt, daß jene Kunst,die ein Winckelmann. vor allem dort suchte, die Bildnerei, in Rom nur zu Gaste war, daß die Römer wohl Bildsäulen aber keineBildnerei besaßen. Schon zur Zeit Goethes wußte man, daß Rom nur den Abglanz von Athen darstelle.

Das aber ist noch meines Wissens nicht recht hervorgehobenworden, daß in den langen Jahrhunderten seit dem Erwachen derNationen, in welchen der katholischen Kirche in allen christlichenLändern vom Kunsteifer der Völker, von dem Dränge zu werkthätigopfernder Verehrung, von dem Streben dnrch gnte Werke die Seligkeitzu erwerben, ungezählte herrliche Kirchen gebaut wurden, Rom fast