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I, Das Erbe.
lächelnd dem Treiben zn und verstehen kaum, was die Fremdenmalen und kaufen, warum sie es schaffen und bewuuderu. An derDürrheit ihres Empfindens prallt die Begeisterung ihrer Gästewirkungslos ab. Welch gewaltige, geistige Anstrengung hat esHolland gekostet, sich vom Einfluß der klassischen Landschaft freizu machen. Immer fiel es an diese zurück, selbst nach den glor-reichsten Äußerungen örtlichen Schönheitsgesühles. Auf Europa lag im 17., im 18. und wie wir sehen werden, auch im 19. Jahr-hundert der Alp eines von Rom vergifteten Naturempfindens. Diestärksten Kräfte raugen mit diesem übermäßigen Feind, Viele er-lagen ihm!
Was Rom einein Deutschen damals Gutes bieten konnte, dashat es an Winckelmann gethan. Die Fahrt nach der ewigen Stadtbrachte ihn aus dem Kreise seines Lehrers, des Malers Oeser, injenen der echten Antike. Welch wunderbares Treiben in Dresden .Diese Sehnsucht nach dem Alten, dieses Leben in den Alten, wiees aus Winckelmanns krauser Erstlingsschaft, den Gedanken überdie Nachahmung der antiken Kunstwerke hervorleuchtet. Es ist gut,diese einmal wieder durchzugehen, in aller Herzenseinfalt, wie manein Bnch eben liest, das einem der Zufall in die Hände spielt,vergessend alle gelehrten Erklärungen. Das zunächst die ModernenVerblüffende ist die Kenntnis, die Belesenheit in den alten Schrift-stellern. Hat man mehr Arbeiten dieser Art eingesehen, so merktman, daß auch hier mit Wasser gekocht wurde, daß die Hilfsmittelvielseitig waren: die Wissenschaft hatte dem „Antiauarius" vor-gearbeitet, wie etwa dem Theologen beim Suchen passender Bibel-stellen. Aber bleiben wir bei der Bewunderung: Ihr steht einwahres Erschrecken entgegen über den geringen Umfang dessen,was die Schriftsteller selbst an Kunst mit Aufmerksamkeit gesehenhatten. Winckelmann folgt in allem Oesers Anschauung. Er schautsich nicht die Bilder der Dresdener Galerie, nicht die Decken-malereien in den sächsischen Schlössern an, sondern er redet auchmodernen Bildern gegenüber viel lieber von Sachen, die er nichtkennt, über Rubens Galerie im Luxembourg-Palais , Grans Decken-malereien in Wien , Le Moines und Lebruns geschichtliche Bilder.Er war Bibliothekar an der Bünauschen Bibliothek, deren Bestand