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Die deutsche Kunst des 19. Jahrhunderts : ihre Ziele und Thaten / von Cornelius Gurlitt
Entstehung
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I. Das Erbe.

Oeser ist Preßburger, Schüler der Wiener Akademie . Unterden Wiener Künstlern seiner Jugendzeit war aber der größte derBaumeister Johann Bernhard Fischer von Erlach , er war anchder ersten einer, welche die Knnst von der geschichtlichen Seite her be-trachteten: Sein Entwurf einer historischen Architektur, der um 1712entstand, ist ein sehr merkwürdiger Anfang, die Formen ihrer Ent-stehuugszeit nach zu begreifen, eine Vorarbeit für WinckelmannsHauptbestreben. Fischer war in Rom als junger Mauu iu Be-ziehungen zu Carlo Maratta getreten, dem Künstler, der bernsenwurde, Rafacls vatikanische Fresken zu erueueru, einem der erstenPrediger der Umkehr! Durch Rafael zur Antike! Maratta ist keingroßer Geist, kein Weltbezwiuger gewesen; aber er führte dasWerk Ponssins weiter, das bei den Italienern bisher keinen An-klang gesunden hatte und brachte es langsam dem Barock gegen-über zum Sieg.

Es ist kein Zufall, daß iu der Wiuckelmauu-Zeit seiu Nameeiner der meistgeuaunteu war. Oeser mochte ihn an der WienerAkademie oft genug gehört habeu. Denn in seinen Wiener Lehr-jahren 17301739 spielte sich dort ein sehr bezeichnender Kampfab: Jener gegen die Barockkünstler Bologneser Schule, gegeu dieGalli-Bibiena uud Pozzo. Alle Stilbegrisfe sind relativ: so auchder Klassizismus der Wiener Hanptmeister, der Fischer, Gran,Donner. Er ist eine Absage gegen das Weitergehen ins Landbarocker Übertreibung, er ist eiue Umkehr nach der Richtuug derEinfachheit. Dort her hatte Oeser seine Auschauuugen. Das Alle-gorisieren blieb zwar auf beiden Seiten das gleiche; in ihm lagder eigentliche Geist der Kunst. Oeser uahm auch dieses mitauf den Weg. Und Winckelmann blieb seiner Lehre das ganzeLeben hindurch treu, so sehr er sich im Schauen uud Erkennendes Einfachen vertiefte. Aber im Urteil hat er sich stets als Enkeldes Barock erwiesen, er, dein alle Italiener der ^vor-rafaelischenZeit gleichsam schwindsüchtig erscheinen, der den heiligen Andrea?im Gesü zu Rom für eiu ausgezeichnetes Werk jenes äußerenSinnes der Bildhauer erklärt, der fertig, zart und bildlich seinmüsse, weil die ersteu Eindrücke die stärksten sind. Gerade in diesemNusspruch erweist er sich als echter Berninischülcr, trotz der