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Die deutsche Kunst des 19. Jahrhunderts : ihre Ziele und Thaten / von Cornelius Gurlitt
Entstehung
Seite
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Der Inhalt als Wertmesser.

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das Kreuz aus zwei Hölzern dem Bilde des Gekreuzigten vorzogen,selbst dort, wo die Kunst das eigentliche geistige Ausdrucksmitteldes Volkes war: Der große Nuysdael war Maler und doch auchMcmnonist; darin liegt vielleicht die Wurzel seines traurigen Endensin Armut und Not. So revolutionär Jean Jaeaues Rousseau inder Ablehnung der Civilisation und mit ihr auch der Kunst er-scheint, so sehr bleibt doch auch er im Gedankenkreis der Kirche:Es ist ja etwas Asketisches in dem ganzen Denken des zum katho-lischen Geistlichen Erzogenen. Die Reize, die Freuden, der Genußan der Kunst erscheint ihm das Bedenkliche, Verlockende und daherauf Abwege Führende. Die Tugend erhält durch sie eiueu Beisatzvon Schwäche, das Laster einen solchen von Liebenswürdigkeit. Erverurteilt zwar nur die Kunstübuug seiner Zeit, aber in seinengesellschaftlichen Plänen ist kein Raum für eine nene Kunst.

So war also eiu in künstlerischem Denken der Zeit feststehen-der Punkt der: Der Inhalt bestimmt den letzten Wert des"Schaffens. Die überaus hohe Schätzung des Kunstbeschützersund Kenners in dieser Zeit, dessen, der dem Künstler den Auftragund damit zugleich den Inhalt gab, hängt eng hiermit zusammen.Die Kirchenmalerei des ganzen 16. und 17. Jahrhunderts warsachlich bestellt uud litt unter der von außen aufgezwungeueuStoffaugabe. Nicht aus Eigenem allein wählten die Maler diegrausigen Märtyrergeschichten: Der Besteller forderte sie als Dar-stellungen der Wahrheiten, die in der Predigt benutzt wurden,um die hart gewordenen Seelen durch Grausen zu erschüttern.Man schrieb Lehrbücher des Darstellenswerten nieder nnd warntedie Künstler vor Absprüngen von diesen. Die spanische Inquisitionernannte Künstler zu Wächtern über die inhaltliche Wahrheit. Esist eine der Ungerechtigkeiten unserer Zeit, daß man diese Versuche,die Heiligengeschichte knnstinhaltlich festzulegen, als eine Lächerlich-keit brandmarkt und über das 1788 von der Berliner Akademie herausgegebene Wörterbuch der Allegorie, oder über jenes Winckel-manns den Mantel archäologischer Liebe breitet. Es ist dies Werkein ebenso großes Stück des Gefeierten wie sein dem modernen ver-wandteres Kunstverständnis. Es ist dies fast mehr sein Teil,während an jenem Oeser ein wesentliches Anrecht hat. Und es