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I, Das Erbe,
Größten Mängel. Diese zu vermeiden, bietet uns die Kenntnis vonvielerlei Kunst Gelegenheit. Wir sollen die Lücke in der Meister-schaft eines Künstlers durch jene eines anderen ergänzen lernen,um so zur Vollendung zu gelangen.
So etwa lehrten die großen Praktiker des 18. Jahrhunderts,Mengs, Reynolds u. a. So hatte das 16. Jahrhundert gelehrt,Vasari, Lomazzo. Vasaris Ansicht war, daß ein Meister zu bessernsei d.urch Nachahmung des andern; Dürer, ja selbst Tizian sei nurdeshalb nicht zu dem gelangt, was Vasari für die höchste Kuusthielt, weil ihnen die Kenntnis von Rom, von Rafael, von Michel-angelo fehlte. Das ist unzählige Mate mit Hinblick auf anderewiederholt. Reyuolds glaubt, wenn Jan Steen der UnterweisungMichelangelos sich hätte erfreuen können, wenn er fo erkennengelernt hätte, was in der Natnr groß und erhaben sei, wäre erin Rom statt in Leyden geboren, dann würde auch der nieder-ländische Sittenmaler sich eine erhabenere Art angewöhnt haben.Ähnlich urteilte man über Rembrandt . Im Grunde waren dieseMaler in ihrem Streben der ganzen Zeit rätselhaft, namentlichdnrch die Anziehungskraft, die sie trotz der ästhetischen Ver-urteilung ausübten. Reynolds erkannte eines in ihnen als denSchlüssel ihrer Schönheit an, nämlich die Einheit der Farbe undzumeist auch des Lichtes. Er sah sehr wohl eiu, daß die Mischungder Kunstart verschiedener Meister seine Bedenken habe. Er ver-steht das Ich des Künstlers im Kunstwerk zu fiudeu. So in Michel-angelo , dessen überquellender Gestaltungsreichtum ganz eigenemGeiste entsprungen sei nnd bei dem auch dieser die Gestalten völligerfülle. Er biete also für den, der im Erhabenen die Vollendungsnche, diese in einem Maße, die alle Schwächen gut mache. Erstehe aber für den Schönheit Suchenden dem Rafael nach, da dieserdie besten künstlerischen Eigenschaften in denkbar höchsten: Maßevereine. Als Gegensatz führt Reynolds Salvator Rosa und Maratta ans; wo jener, obgleich nicht völlig sicher in Maß und Genauigkeit,ohne Liebreiz, Anmut, Schlichtheit uud edle Würde doch durch dieÜbereinstimmung iu Stoff und Behandlung zu bewundern sei;während Maratta , trotz seiner sorgsamen Pflege der Knnstregel esan der Kraft der Persönlichkeit sehleu lasse, um jenem gleich-