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I. Das Erbe.
Als Goethe gegen den Patriotismus in der Kunst schrieb,kämpfte er sür das allgemein Menschliche. Es ist das Große, nachseiner Art über Erwarten Starke, Überraschende, zur BewunderungZwingende. So etwa hatte es auch der Berliner Ästhetiker JohannGeorge Sulzer bezeichnet: in der Dichtung wie in der Knnst das,bei dem der Inhalt die Form völlig überragt. Wenn Gott sprach:Es werde Licht! uud es ward Licht, — so ist in der nicht auszu-drückenden Größe dessen, was die wenigen Worte sagen, derenüberwältigende Erhabenheit begründet. Die Einfachheit der Wortegiebt ihnen den erhabenen künstlerischen Wert.
So war denn die Forderung uach Einfachheit, nach dernodls 5iim^zIioit6 der Franzosen alt, allen Denkern in künstlerischenDingen schon längst gemeinsam. Bernini , als Architekt, trug sieuach Paris , bekämpfte uuter ihrer Fahne den Patriotismus derfranzösischen Architektur, lenkte damit in Perrault auf das Schaffeneiner so erhabenen Schönheit, wie die Säulenhalle des Louvre.Man kaun nicht stärker auf Einfachheit, auf Größe, auf Klassizitätbedacht sein, als es die Architekten Ludwigs XIV. waren, nament-lich als Blondel, es ist kaum ein zweites Werk von solcher vor-nehmen Einfachheit geschaffen worden, wie dessen meisterhafte PorteSt. Martin in Paris . Wohl hatte eine barocke Zwischenströmungdas Niedliche, Zierliche, im Kleinen Anmutende dort wieder an dieOberfläche, ja zeitweilig im Knnstgewerbe zum Siege gebracht.Aber der klassische Geist war immer wieder siegreich durchgedrungen.Laut heischte er in der Kunst sein Recht. Die Forderung nachNatur und nach Einfachheit hatten ihn zn wunderlichen Systemen,wie jenein des Jesuiten Laugier, zu einer Überwindung der Antikedurch die Autike, zu einer Reinigung dieser nach den aus ihr selbstgezogenen Gesetzen geführt. Schon hatte die Revolution ihr Werkbegonnen. Der Messidorstil, der Stil der geraden Linie, hatte jedeKrümmung ini Bau als der Gesetzwidrigkeit verdächtigt und eineGnillotine des Geschmackes aufgerichtet, jeder aristokratischen Auf-lehnung gegen die selbstherrliche Einfachheit zur Warnuug. Der deutscheÄsthetiker Lazarus Bendavid , erkannte den Unterschied zwischen Bild-nern nnd Baukunst in der Umgrenzung ihrer im Raum gebildetenWerke mit der geometrischen oder mit der willkürlich gekrümmten Linie.