Die Gegner der Tektonik. — Klenze.
es erweist sich, daß der von der archäologischen Besserwisserei nach-gerade zum Trottel herabkritisierte Vitrnv mehr von der Sacheverstand als der Berliner Geheimrat, wenn dieser auch gegen dieNichtswisser wetterte, die gegen ihn aufzutreten sich erlaubten. Hattensich außer Berlin sehr schnell Spuren des Abfalles von seinerüberkritischen Arbeit gezeigt, waren diese unter den Architekten,denen die spintisierende Art der Tektonik zuwider war, immerzahlreicher geworden, hatte man gelernt mit einer höflichen Ver-beugung gegen den Geist des Bnches die eigene Unbekauntschaft mitdem Inhalt zu entschuldigen — so sahen seit den achtziger Jahrenselbst die Berliner Archäologen ein, daß dieser sich nicht haltenlasse. Seit sie ihren Rückzug vor Schliemanu mit der stürmischenAufnahme des Widerborstigen in ihren Kreis verschleierten, standBvtticher an seinem Lebensabend allein. Seine Lehre ist be-graben, beigesetzt zur Seite jener seiner Borgänger.
Bvtticher war iu seiner nüchternen und dabei anmaßendenLehre von dem Glauben ausgegangen, die Helleueu seien eineerste Auslage seiner Berliner gewesen. Er dachte sich denJktinos oder sonst die griechischen Meister als eine geistige Voraus-nähme Schinkels. Auch sie mußteu philosophisch, Hegelisch gebildetgewesen sein, nm so tief ästhetische Werte zu erfinden. Um siedrängte sich nach Bottichers Ansicht ein Volk, welches ihre Lehre,die fertig geborene, alsbald verstand, von der plötzlichen Reife nichtüberrascht, ihr alsbald selbst reis gegenübertrat i Lauter kluge, fein-sinnige Denker, die sich mit den Fragen der Funktion der archi-tektonischen Formen beschäftigten. Vom Wesen des Schaffens, vondem Gebären aus der Dumpfheit der Empfindung dürfte man inBerlin uicht laut sprechen, ohne für einen Unaufgeklärten zn gelten.Alles war jetzt geklärt, nirgends ein Zweifel über Absicht uud An-sicht der griechischen Formenfinder. Wo sie eiueu Geist verspüren,sagte einmal Friedrich Schlegel , da wandelt sie Gespenstersurcht an.
Anders der Klassizismus in München . Klenze hat ein Buch
veröffentlicht, welches seiue Eindrücke ans einer griechischen Reise
enthält. Er hatte Griechenland gesehen, hatte für Athen unter
dem Bayerukönig Otto geplant und gebaut, während Bötticher das
Land seiner Ästhetik erst sah, als diese längst gedruckt und ver-
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