Druckschrift 
Die deutsche Kunst des 19. Jahrhunderts : ihre Ziele und Thaten / von Cornelius Gurlitt
Entstehung
Seite
84
Einzelbild herunterladen
 
  

84

II. Die Klassiker.

kündet war. An öielelirsanikeit gab der nach München versetzteObersacbse dein Berliner nichts nach. Man findet mühsam ansseinein 750 Seiten starken Buch die eigentlichen Nciseeindrückeberaus, die sich überall hinter einem Schwall von wissenschaftlicherUntersuchung verstecken, lind das Ergebnis der Eindrücke? Klenzekam mit der Ansicht, daß die Akropolis der große Probiersteinklassischen Kunstsinnes sei, daß, wer hier nicht geheilt werde vonindividuellen und topisch nationalen Aberrationen", wer hier nichtden individuellen Augenreiz großen Kunstgesetzeu unterwerfe, ge-richtet sei vor dem. Areopagos der Nachwelt. Schon Pecht machtedaraus aufmerksam, daß die Begeisterung dein Reisenden geradezu,die deutsche Sprache versetzte. Er bekundete sich im Augenblick desersten Sehens freudig selbst, daß er seine Prüfnng vor der Nachweltgut bestauben habe. Die Rechnung stimmte, er fand in Athen genandas, was er in München geahnt hatte. Und daher fühlte er sichso frei von allen topisch nationalen Aberrationen, so gehobeil imGenuß deS Parthenon , daß er getragen, gelehrt, vornehm, d. h. so-viel als möglich in Freindworten reden mußte. Aber dann gehtgleich wieder eine lange Abhandlung über die Verehrung an, welchedie Akropolis durch die Jahrhuuderte ersuhr. Doch wohiu gerateich! schließt er diese. Er war eben ein ^venig in deutsche Ge-lehrteupedauterie geraten, die vor dem, was sie begeistert, sofort zulehren, vorzutragen sich gereizt sieht. Und endlich merkt man, daßKlenze auch hier nicht einen Augeublick sein heimatliches Wirkenan der Jsar vergaß, nicht einmal im ersten Hinblick auf die ge-feiertsten Werke jener höchsten, mit allen Kräften angestrebten Kunst!Selbstgefällig dachte er nur an sich und sein Thnn. Sie sagtenihm als Antwort auf dieses erste Hinschauen: König Ludwig I. und sein neuer Günstling Gärtner haben doch unrecht, wenn sienicht ganz München nach meinem Rat antik bauen, sondern es mitallen möglichen Stilen versuchen!

Lange Zeit waren in der Kritik Vergleiche zwischen Schinkelund Klenze an der Tagesordnung. Man kam zu dem Ergebnis,daß der Berliner größere Feinheit, d?r Münchener mehr Phantasiebesessen habe. Aber damit ist Ktenzes künstlerischer Raug nochnicht festgestellt. Auch seine Phantasie ist vorzugsweise entlehnt,