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Die deutsche Kunst des 19. Jahrhunderts : ihre Ziele und Thaten / von Cornelius Gurlitt
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Absolute Kunst. Neue Formversuche.

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sie haßte es. Was ihr am Herzen lag, war das Klassische, dieabsolute Kunst! Schinkel und Bötticher hatten ihr den Stein desWeisen verliehen!

Und Schliepmann fährt sort: Für nns Nachgeborene ist esbillig, hierüber zu lächeln! Schufen doch jene Männer als echteKünstler nicht für uns, sondern sür die Besten ihrer Zeit. Unddaß sie genug für alle Zeiten thaten, das beweist die jubelnde Zu-stimmung, die sie sanden. Den Berliner Künstlern aber konnte ausdie Dauer nicht verschlossen bleiben, daß die neue Zeit neue An-forderungen an die Knnft stellte und daß diese auf sormale Er-füllung drängten.

Zunächst wurden diese Fragen angeregt durch die neuen Artender Deckenbildung. Man konnte sich der Notwendigkeit, das Eisenauch im Kunstbau zu verwenden, auf die Dauer nicht entziehen.Man konnte bei dem Gedanken, daß die hellenische Deckenbildung,die aus Steinbalken, wenigstens in den änßeren Formen aufrechterhalten bleiben müßte, nicht verharren. Wohl rühmte man sie umihrer ausgezeichneten Eigenschaften willen nicht nur in Berlin . AuchKlenze stellte sie dem Gewölbe gegenüber, das infolge feines seitlichenDruckes die Bedingungen der Zerstörung in sich trage, währendder Druck der Steinbalken die Sündhaftigkeit der Stützen nurerhöhe; wohl hatte man ein starkes Gefühl dafür, daß im hellenischenBan Lasten und Tragen ausgehoben, in der gotischen Konstruktionbeide zum sichtbaren Ausdruck gebracht, dort also die dem Denkmalwürdige Ruhe, hier ein bewegtes Ringen der Kräfte sich äußere.Mau erkannte sehr wohl, daß die hellenische Kunst der römischenan tektonischen Werten unendlich überlegen sei, daß in Rom diehellenischen Formen als eine fertige Sprache für gewisse baulicheAufgaben verwendet, nicht mehr das Wesen des Baues ausmachen,sondern mehr ein Schmuck seiuer Massen geworden seien; daß esauch dort nicht geluugeu sei, für das Gewölbe selbständig redendeVergleichsbildcr zn schaffen, daß also nur zwei Grnudgestaltuugenfür die Decken sich bisher gegenüberstehen: der Steinbalkenban unddas Nippengewölbe der Gotik.

Es ist ein überaus bezeichnender Vorgang, daß es möglich war,das Berliner Schauspielhaus, welches Schinkel, der Not gehorchend,