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Die deutsche Kunst des 19. Jahrhunderts : ihre Ziele und Thaten / von Cornelius Gurlitt
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Der Kirchenbau. Der Berliner Dom .

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halten, so konnte dies nur geschehen, weil er selbst noch unter deinEinslnß jener formalen Schule stand. Denn diese errichtet dasBauwerk nicht um des Zweckes, sondern zugleich um einer außerhalbdieses liegenden Schönheitsidee willen; sie möchte die Kirche zumDeuk-malsbau machen, wie dies Schinkel stets im Sinne lag. Sie kenntdie Kirchlichkeit nur als ein ästhetisches Gefühl!

Die ganze Sehnsucht uach einem Dom in Berlin ist bezeichnend.Was ist ein Dom? Doch wohl ein kirchlicher Bau von höhererBedeutung als die gewöhnliche Pfarrkirche. Dom, Müuster, Kathe-drale neunt man jene katholische Kirche , der ein Bischof vorsteht.Einen Bischos hat die Protestantische Kirche nicht, wenigstens nicht imSinne des Katholizismus. Die bischöfliche Gewalt ging an denLandesfnrsten über, dieser ist als summus episLoriv.8 der Rechts-nachfolger der Bischöfe, deren Würde erst wieder durch FriedrichWilhelm III. insofern hergestellt wurde, als er Bischöfe von Berlin und Königsberg 1816 ernannte, letzteren 1829 sogar zum Erzbischof.Aber iu der Folge sank die Würde wieder zum bloßen Titel herab.So kann man denn den Berliner Dom als Bischofkirche nur despreußischen Summepiskopats betrachten.

Aber der König verrichtet in der Kirche keinerlei Handlung.Er ist in ihr ein Gemeindemitglied, ein vornehmes, aber keinPriester. Er ist nicht einmal ein Geistlicher. Es hat keine Scharvon Hilfsgeistlichen, Ministranten, Sängeru um sich, er liest keiuHochamt. Er braucht keinen Chor und betritt diesen nicht um dasAbendmahl zu spenden, sondern nur um es zu nehmen. Das, wasder katholischen Kirche der Zielpunkt ist, das köstlich reich entwickelteChorhaupt, fällt hier fort. Schou Schinkel und nach ihm anderesuchten an dessen Stelle aus künstlerisch formalen Gründen eineHalle zn setzen, die Schinkel in seinem Domentwurf im Gegensatzzu dem dreischissigen Langhause, der Predigtkirche, als Abendmahl-kirche bezeichnete; Anton Hellmann in seinem Entwurf von 1840nannte sie Gedächtnishalle; W. Stier in einem dritten von 1841legte mit mehr Recht die Predigtkirche iu den Ccntralraum uud machte das wieder dreischiffige Langhaus zur Nuhmeshalle; FriedrichWilhelm IV. ließ den Dom nach eigenen Gedanken durch Persiusund Stüler als fünfschiffige Basilika für die eigentliche Kirche aus-