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Die deutsche Kunst des 19. Jahrhunderts : ihre Ziele und Thaten / von Cornelius Gurlitt
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Dresden. Oeser .

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uud deren Regel, die im Streben nach der Erreichung ihrer Zieleganz vergißt, daß diese nur Mittel zum Zwecke sind.

So war auch in Dresden bei den Gebildeten schon um dieMitte des 18. Jahrhunderts das Bewußtsein allgemein geworden,daß die klassische Form, in edler Einfachheit gegeben, allein derKunst eine höhere Zukunft zu bieten vermöge.

Eine Reihe von Künstlern diente diesem Gedanken. Zumeistuud mit dem am tiefsten greifenden Erfolg Adam Friedrich Oeser ,der freilich schon 1756 nach Leipzig versetzt wnrde und dort 1799starb. War er dort, im engeren Kreise, bis an sein Ende gefeiert,so begann doch schon bei Vielen, bei den Weltkundigereu, namentlichauch bei Goethe nach dessen italienischer Reise der Umschwung: SeineZwecke erschienen ihm beschrankt, seine Grundsätze einseitig, ja öfterswunderlich. Er erkannte, daß Winckelmanns erste Schriften zu vielseines Geistes enthielten und warum sie von ihrem Verfasser selbstals unzulänglich erklärt worden seien.

Ich habe in den letzten Jahren sehr viele Bilder Oesers gesehen:Er hat wenig Wandelungen in seinem Leben durchgemacht, bleibt sichsehr gleich. Aber man versteht sehr wohl, warnm diese Bilder diegrößten uuter seinen Zeitgenossen entzückten. Und man thnt gut,Goethes Umschwung im Urteil über ihn nicht allzusehr als Fort-schritt in der Erkenntnis zu feiern. In manchen: seiner Werkeerkennt man sehr deutlich die Absicht auf Stimmung; in einzelneu,wie jenen der Thomaskirche zn Leipzig , ift sie nicht ohne Kraft.Meist freilich äußert sie sich iu weichem Verschwimmen des Umrisses,in einem kühlennebulistischen" Ton, der ein Ende der FarbeCorreggios darstellt, eiu Anklingen an das kräftige Silberlicht derspätern Benetianer. Aber immerhin ist Oeser noch ein Maler, derSinn sür die feineren Farbenschattierungen hat, der das Bild alsGanzes zu beherrschen weiß.

Die Dresdeuer Akademie war inzwischen einen Krebsganggewandelt. Alle wohlgemeinten organisatorischen MaßnahmenHagedorns, sie zu beleben, zerschlugen sich darin, daß man nichteinen rechten Mann fand, der dem Streben nach klassischer Voll-endung Ausdruck zu gebeu vermochte.

Dafür faud man einen Realisten in dem Schweizer Anton