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III. Die alten Schulen.
um den Botltrunk des Lebens, nicht nur einen Abkläricht vonihm vertragen zu können!
Grafs war nicht der einzige Maler dieser Richtung. Wennman freilich Sulzers Auszählung der Porträtisten (von 1793)Glauben beimißt, stand es schwach um die Bildnismalerei. Vonallen Lebenden kennt er kaum eiueu von Belaug. Aber es gabdoch tüchtige Leute noch allerwegen, wenngleich die Folgezeit sichalle Mühe gab, sie so rasch als möglich zn vergessen, weil sie über-haupt vom Bilduis wenig hielt. Findet sich aber irgendwo eineBilderreihe in öffentlichem Besitz, eine Folge von Darstellungen vonFürsten oder Bürgermeistern, Staatsmännern oder Richtern, so istdie Entwickelungsgeschichte des Bildnisses im allgemeinen rasch zuerkennen: es ist eine des Eindörrens. Die Barockmaler mit ihremPathos, mit den roten Mänteln uud blitzenden Brnstharnischen,wußten immer ein gutes Ganze zu schaffen. Selbst das Werkder Schwachen unter ihnen wirkt als Wandschmuck. Die Rokoko-maler haben in ihrer lebhasten Auffassnng, in der Farbigkeit desGewandes, in der wenn auch geschminkten Frische des Gesichtesetwas Erfreuendes, Fröhliches, mindestens in der Kleiduug und inder, wenn auch noch so herkömmlichen Anmut etwas, was ihre Bilderim Wohuraume willkommen macht. Die Folgezeit ist liebenswürdigiu ihrem biedermäuuischeu Wohlwollen, in dem Wunsche, dem Ein-zelnen gerecht zu werden, ihn uns menschlich nahe zu führen. Un-erträglich nnr ist das ideale Porträt, das bei tiefest stehendemKönnen nichts giebt als die Gleichförmigkeit des dem Künstler imGeist vorschwebendem Mustermenschcn, das in der Meinung ernst zuseiu, so trocken und traurig wirkt. Bor solchen Bilderreihcn er-kennt man, wie tief im eigentlichen Können die deutsche Kunstgerade iu der klassischen Zeit stand, damals, als sie glaubte dasHöchste iu Anlehnung an die Größten erreicht zu haben.
Eine Graffs künstlerischer Art entsprechende Persönlichkeit warder Berliner Schadow. Die Folgezeit fand, daß er sich dauerudin den Banden einer barocken Kunstanfsassnng befuuden habe.Man verzieh ihm nicht seinen Kampf gegen Goethe, die Ablehnung,in der er im Alter gegen das juuge Geschlecht der Idealisten undRomantiker sich einlebte. Man gewöhnte sich voni alten Schadow