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Die deutsche Kunst des 19. Jahrhunderts : ihre Ziele und Thaten / von Cornelius Gurlitt
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Chvdvwiecki,

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heit suchte, schiver genug gemacht, zur Klarheit mit sich selbst zukommen. Als er der Ölmalerei sich widmen wollte, dem Gebiet,das in Deutschland so ganz brach lag, that er das mit Hilfe vonBüchern gleich Carstens, namentlich der englischen von Webb,Richardson, Hogarth ; und dann mit Hilfe der älteren Kunst, wiesie sich ihm eben in Berlin bot. Seine Ölbilder wurden einGemisch von Erinnerungen an die Schule des Watteau, des Grcuze,des Dietrich als des Vermittlers zwischen beiden; sie sind ohne Eigenartund gehören in ihrer Entlehnung keineswegs zu deu besseren derZeit. Aber Chodowiecki zeichnete nebenher so geschwind uud auchso fleißig, als es die Zeit gestattete, da er mit Menschen zusammen-kam und solange diese es nicht merkten, bei Tag und bei Kerzen-licht, gehend, stehend, reitend, ja durchs Schlüsselloch seheud, immernach der Natur, wenig nach Bildern uud Gips, überall der Naturin Gedanken einen Kuß hinwerfend; immer ans dem Anstande, siezu ergründen, sie sich einzuprägen; immer beim Darstellen erkennend,daß sie in ihrer Ganzheit auf einem armseligen Stück Papier nichtsestznhalten ist. Und so entwickelt sich Chodowiecki der Zeichner,der Radierer. Ein Meister, der vielleicht in letzter Zeit anderengegenüber zu hoch geschätzt worden ist, der oft in seinen Stichen,seinen Buchbildern herzlich langweilig und kleinlich wird, der aberin seinen Skizzen, in dem was er wirklich vor der Natur machte, ofteine erstaunliche Lebensfülle äußert; ein Sehen von Form undTon, eine Sicherheit im Festhatten des Augenblicklichen, eine Liebens-würdigkeit, die ihn weit über die klassischen Meister der Zeit erhebt.

Die bürgerliche Weltausfassung, das kleinstädtisch behaglicheLeben war diesem ins Einzelne, Bescheidene gehenden Realismusbesonders günstig. Er flüchtete sich in die Almanache und Kalender,in die für die empfindsame Masse berechneten Klcinbilder. Mankann ihn sogar in den Modekupfern jener Zeit mit Erfolg wirksamsehen, mit seiner lächelnden Harmlosigkeit, seiner Freude an kleinenScherzen und der noch viel größeren an sanft fließenden Thränen,mit seinem redlichen, wenngleich etwas neugierigen Wissensdurstund seiner Zufriedenheit mit bescheidener, für ihn mundgerecht ge-machter Gabe. Wer namentlich die Landschastsbilder jener Zeitdurchsieht, die Städteausichten und andere Prospekte, der wird