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Die deutsche Kunst des 19. Jahrhunderts : ihre Ziele und Thaten / von Cornelius Gurlitt
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III. Die alten Schulen.

nicht zu fechten hatten; auf jene, welche mit ruhigem Vertrauendem Vergangenen fich Hingaben, weil sie sich im Ziele mit diesemeinig fühlten; und endlich auf die, welche die Natur eifrig durch-suchten, so eifrig wie Neuere, jedoch um in ihr die von den Altenausgesprochenen Wahrheiten bestätigt zu finden; die mit einer Artvon Gläubigkeit an den Alten hingen, seelisch beglückt, beschwichtigtin ihrem Streben, harmonisch bewegt in ihrer aus jenen geschöpftenBegeisterung. Wer sich je in die schriftlichen Äußerungen derKünstler jener Zeit hineinlas, den wird auch das Glücksgefühl, dieseelische Wärme freundlich umstrahlt haben, welche jene ausströmen,selbst wenn ihre gefeierten Werke ihn kalt ließen; der sollte sichaber auch fragen, ob dieser Mangel an Empfänglichkeit ausschließ-lich seinen Grund in jenen Werken oder ob er nicht vielleicht inihm liege. Denn er irrt in der Meinung, daß er ein Werk von1800 ohne weiteres verstehen müsse, während er sich bewußt ist, daßer zum Verständnis eines solchen von 1400 einer geistigen Nück-versetzuug iu die Vergangenheit bedürfe.

Unter den Malern, welche die Zeit mit großer Befriedigungüber sich selbst und ihre Leistnng erfüllte, gehörte I. H. WilhelmTischbein . Er ist das Mitglied einer vielfach verzweigten Künstler-sippe. Tischbeine gab's in jeder größeren Kunststadt, ihr Name wareine Zeitlang dadurch einer der im Volksmunde geläufigsten. Manwird sich mit freundlichem Eindruck in die Bildnisse des NachfolgersOesers an der Leipziger Akademie, des Johann Friedrich Tisch-bein vertiefen können, der im Erfassen der Persönlichkeit Grassmanchmal nahe kam, wenn er gleich im Tone schon sehr kühl, ver-blichen und kraftlos wurde. Der Kasseler Gallerieinspektor, JohannHeinrich Tischbein , hatte- noch von seinem Onkel, JohannHeinrich etwas von der Kunst der Franzosen und Venetianer, Vanloound Piazetta, gerettet. Die Rede, mit welcher 1777 sein FrcuudDu Ry, der Architekt, die Kasseler Akademie eröffnete, mag nichtohne seinen Beirat entstanden sein. Folgsamkeit gegen die Lehrer,Fleiß und gutes Betragen sind die Vorbedingungen, Zeichnen undModellieren die Anfänge für die Künstler, namentlich das Zeichnendie Seele der Malcrkunst. Aber kalte Gleichheit, d. h. das einfacheTreffen des Naturgegenstandes, sei kein Verdienst. Erst wenn er