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IV. Die Landschaft.
ahmt diese nach, aber kopiert nicht die Natur. Freilich bedürfe es einesgrößeren Talentes, ein Tier oder gar einen Menschen darzustellen,namentlich in der Bewegung, als den einzelnen Gegenstand der Land-schaft, der doch höchstens eine mechanische Bewegung mache. Erstdurch die dichterische Auffassung erhebe sich die Landschaft znm voll-wertigen Kunstwerk, erst so setze sie die physischen und moralischenTriebfedern des Gemüts in Bewegung- eS müsse also der Land-schaftsmater selbst lebhaft dichterisch empfinden, um auf andere einepoetische Wirkung zu erzielen; er müsse den Beschauer in einenNaturvorgang führen nnd wie Musik auf ihn wirken. Gleich dieserbedürfe jener Vorgang keines bestimmten Inhaltes, der einzelneGegenstand sei ohne Bedeutung; das Ganze vielmehr solle eineästhetische Stimmung bewirken, das Heitere oder Ernste, Sanfteoder Wilde u. f. w. ausdrücken. Die Landschaft selbst müsse stetsaus natürlichen Gebilden zusammengesetzt sein. Selbst wenn dasElysium geschildert wird, kann man über diese nicht hinaus-gehen. Welche ideale Landschaft dargestellt sein soll, könne derMaler nur durch die Staffage, die eingestellten Figuren, aus-drücken; sie geben der Landschaft den poetischen Charakter, stehenzn ihr wie der untergelegte Text zur Musik. Da die Nieder-lande nie eine dichterische Vorzeit hatten, Landschaften aus ihrdaher höchstens mit naiven Laudleuteu staffiert werdeil können, sokonnte die niederländische Landschaft nie poetisch werden; die Schwcizer-natnr eignet sich nur zur Idylle; Schottland machte Ossian zueinem klassischen Boden der Landschaft — Italien aber sei dieeigentliche Heimat der Poetischen Landschaft.
Es gab also noch ein zweites Land außer Italien , in demeine echte, große Landschaftsmalerei möglich war: Schottland .Keiner von den deutschen Freuudeu, die sich in Rom um Fernowversammelten oder doch ihn in ihrer Mitte duldeten, war je inSchottland gewesen, so wenig wie er selbst. Nie vorher hatteSchottland in der Kunst ein Wort mitgesprochen, seine Geschichtewar nie von einem tiefer eingreifenden Einfluß gewesen. Wie kamman ans das ferne Land, das bald, seit Schiller seine Maria Stuart schrieb, im deutschen Schrifttum eiue so wichtige Stellung einnehmen,Ziel deutscher Sentimentalität, deutschen Idealismus werden sollte?