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Die deutsche Kunst des 19. Jahrhunderts : ihre Ziele und Thaten / von Cornelius Gurlitt
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Friedrich. Carus. Die Stimmungslandschaft. 141

empfinden. Und er empfand wirklich malerisch. SorgfältigsteStudien nach der Natnr ließen ihn überall auch bei seiner Art zuschaffen, die Wahrheit bis zu einem hohen Grade festhalten, jeneWahrheit, die er erstrebte, die des Tones, die Stimmung der Natur,wie sie Jahreszeit, Wetter, Licht geben. Er war der erste, der eineLandschaft zu malen wagte, in der nicht ein gleichmäßig warmerSonnenton oder eine glänzende Lichtwirkung, ein Abendrot oderein Gewitter am Himmel standen. Er liebte den Nebel, das Zwie-licht, die verschwimmenden Tinten, in welchen das Einfache so groß,das Unbedeutende, Unklare vielsagend wird. Er malte es wohlnoch mit spitzem^ oft unsicherem Pinsel, mit meist etwas schweremTon, doch mit einer redlichen Hingabe an sein Empfinden, miteiner Unmittelbarkeit der Natur gegenüber, die jener der Engländernicht nachsteht.

Nicht was er erreichte, sondern was er erstrebte, nimmt fürihn ein: Die nenc Vertiefung in die Stimmung, die vollkommenauf den Natureindruck hinschauende Darstellung, in der er in seinerJugendzeit in Deutschland kaum einen Nebenbuhler hatte. DieTonfeinheit bricht oft mit überraschender Anschaulichkeit durch dieHärte seines Vortrages hindurch.

Neben Friedrich arbeitete sein Freund, der spätere Leibarztdes sächsischen Kvnigshauses, Karl Gustav Carus , der in derLandschaft mehr als ein Dilettant war. Ihm danken wir denEinblick in die geistige Werkstätte beider. In feinen Briefen von1815 weist er auf den Reichtum der Farbe in der Natur unddarauf hin, daß es des geübten Auges bedürfe, sie zu erkennen.Eine Naturschilderung, wie er sie giebt, eine solche, die auf Empfin-dung der Tonwerte in der Landschaft begründet ist, hat kein mirbekannter Zeitgenosse geliefert. Er sieht mehr, mindestens mehrFarbenspiel, als die vielen, die damals vor der Natur sich litterarischangeregt fühlten. Er will die Welt, wie sie vor unseren Sinnen liegt,durch die Kuust aufs neue erstehen lassen. Man soll im Bilde dasNaturlebeu wiederfinden, durch dieses mitten in die Täuschung versetztwerden, als genieße man thatsächlich den Eindruck von Lnft undWaldesrauschen. Dasselbe schaffe, so sagt er, freilich der der Naturvorgehaltene Spiegel. Künstlerische Befriedigung biete jedoch erst