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Die deutsche Kunst des 19. Jahrhunderts : ihre Ziele und Thaten / von Cornelius Gurlitt
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IV. Die Landschaft.

die Erkenntnis des die Natur treu erschaffenden Menschengeistes.Ziel der Landschaftsmalerei sei daher: Darstellung einer gewissenStimmung des Gemütslebens dnrch die Nachbildung einer ent-sprechenden Stimmung des Naturlebens. So fand am Anfang desJahrhunderts ein Arzt den eigentlichen Inhalt der modernstenLandschaft. Die Natur als solche sei schön, sie erscheine um soschöner, je mehr sich dem Beschauer ihre Innigkeit (Intimität)offenbare. Schön ist alles, was immer göttliches Wesen in Natur-dingen rein ausspreche, alles, worin Natur ihrem eigensten Wesengemäß und ungetrübt sich offenbare. Lerne nur der Künstler dieNatur überhaupt fassen, fo werde ihm das Schöne nicht entgehen;die Darstellung also, welche diese reine Natur biete, leiste dadurchwirklich das Schöne. Sie ist echt menschlich, sie hat durch dieKunst den Sinn für die Natur zu erschließen. Der unendlicheReichtum der Natur ist in einer Sprache geschrieben, welche derMensch zumeist erst dadurch erlernt, daß ein verwandter, höherbegabter Geist ihn in sie einführt. Menschliche nicht göttlicheZwecke sieht Carus in der Prospektmalerei, in der es sich um kenntlicheDarstellung eines aus uicht künstlerischen Gründen wichtigen Orteshandelt; er sieht sie in der sentimentalen Landschaft, in welcher dieNatnr nur als Symbol, als Hieroglyphe geachtet wird. Roman-tische Schilderungen einer Landschaft, dergleichen Tieck in Stern-balds Wanderungen liefert, reichen nicht ans, um ein Bild zu geben,es fehle die reiunatürliche Auffassung; Tieck verführe den Künstler,die Naturwahrheit hintanzusetzen, weil schon durch eine ungenügende,notdürftige Darstellung von Thal, Mondschein, Kirche und Pilgerder dichterische Eindruck geweckt werde. Nicht der wissenschaftlichbemerkenswerte Prospekt, uicht die sentimental oder dichterisch an-regenden örtlichen Eigentümlichkeiten, sondern erst die vollkommeneVereinigung des Sinnigen und Wahren machen, nach Carus, dasechte landschaftliche Kunstwerk. Auch er erstrebt Mystik, aber dieam lichten Tag geheimnisvolle, das Erfassen des unergründetenLebens der großen, uns umgebenden Natur, er will ein Bild desErdenlebens gebeu.

Ich habe vor mir die zweite Auflage von Carus' Briefen überLandschaftsmalerei. Man sieht dem der Dresdener öffentlichen