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Die deutsche Kunst des 19. Jahrhunderts : ihre Ziele und Thaten / von Cornelius Gurlitt
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Fiorillo. Rumohr.

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Tinte düngten, einer, der für sich bewußt war, daß er keinSystem bauen, sondern genießen und verstehen wollte. Er strebtedanach mit Schärfe und richtig zu sehen und das Gesehene starkzu empfinden. Darin bestand sein Kennertum.

Er erkannte, wie wenig tief die Fragen gestellt waren, um dieman stritt: Ob man den oder jenen nachahmen solle. Denn vorallem müsse man sich fragen, ob es überhaupt uötig sei, nach-zuahmen. Und diese Frage beantwortet ihm nicht die Theorie,sondern der Erfolg. Wie könne man die Lehre der Carracci auf-recht erhalten wollen, die doch zeitlich mit dem Verfall zusammen-gehöre uud hinter der drei Jahrhunderte des Mißerfolges ständen.Durch das Einbeziehen der Antike in die nachzuahmenden Künstesei das Unheil nur schlimmer geworden. Rnmohr ist kein Prä-rafaelit. Er ist weitblickend genug auch gegen die Romantiker,gegen die tote Nachahmungs- und Gegenstandslehre zu redeu,welche die Schulen und Manieren des Mittelalters für aus-schließlich würdig erklärte. Der eigentliche Feind der Kunst ist ihmder Gips, die wunderliche Vorliebe für saubere Zeichnung, beidedie Folge der Nachahmung der Antike. Die saubere Art freilich,durch seidenglatte Bleistiftlagen auf weißem Papier zu arbeiten,haben die neudeutsch-religiös-Patriotischen Künstler mit den alt-deutsch-gottlos-kosmopolitischen Kunstfrcuudeu gemeinsam. Er siehtin ihnen den Mangel an eigentlich sinnlichem Erkennen der dar-stellenden Kräfte der Kunst. Das Aufkommen der Antikensäle inAntwerpen 1680, iu Amsterdam 1700 sei es gewesen, das denniederländischen Schulen die Freiheit des Gesichtssinnes genommen,während die deutschen Seitenschulen, besonders die Hambnrgische,Denner und van der Smissen, jene Vorzüge bis 1760 fortgepflanzthaben. Die Antike hatte die kanonischen Formen gegeben, die großenRenaissancemaler sollten dann die kanonische Farbe dazu liefern,welche die liebe Jugend gleich Vokabeln nnd Rudimenten memo-rieren müsse. Die Jugendeindrücke, die durch das mechanischeZeichnen nnd Kopieren erzeugt würden, erlöschen nie; sie machendumm, schwächen das sinnliche Auge, unterdrücken das Verständnisdes feineren Ton- und Linienspieles. Auch bei Aunibale Carracci ist alles um drei Töne zu dumpf: das kommt vom Kopieren.