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Die deutsche Kunst des 19. Jahrhunderts : ihre Ziele und Thaten / von Cornelius Gurlitt
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VI. Die Landschaft.

Namentlich an dem in Weimar ausgebildeten jnngen LandschafterFranz Horny wies er den Schaden der dort üblichen Schulungnach. Er hatte dort die Natur studiert, d. h. ein ganzes Jahrnichts als Baumstämme gleicher Manier 'gezeichnet und ganz undgar verlernt, draußen in: Freien Natur zu finden, und so durchlange sklavische Beschäftigung völlig die geistige Gelenkigkeit ver-loren. Stundenlang lief er herum, Schönes zu suchen, währender doch vou jedem Unrat hätte lernen können.

Dieser Ausspruch ist bezeichnend. Für Rumohr ist jedes Bor-treffliche notwendig auch ein Schönes. Es besteht dieses also nichtin der Wiedergabe des Eindruckes irgend eines außerhalb der Kunstgelegenen Schönen, sondern in der Erfreulichkeit des Scheines. Erwendet sich scharf gegeu Lessing, der der Kunst nur die Darstellungdes Schönen zuweist. Sie hat das volle Recht, das Widrige, Ab-schreckende, Ekelhafte, Langweilige in ihr Gebiet zu ziehen. Dasbewiesen ihm die Holländer, die er noch zu würdigen verstand.Es sei falsch, daß das Kunstwerk mit dem dargestellten Gegenstandidentisch, also genau so schön und häßlich wie dieser sein müsse.Durch die künstlerische Auffassung könne die Kunst aus dem häß-lichsten Gegenstande ein schönes Bild machen; denn das Bild istnicht der Gegenstand selbst, sondern ein Ergebnis aus Gegenstandund Künstler, ein Drittes, für sich Bestehendes. Wenn also Goetheeinmal sagt, daß durch realistisches Darstellen eines Mopses nichtserreicht würde, als daß man nun zwei Möpse habe, so weistRumohr die Verkehrtheit dieser Ansicht nach. Künstlerisch kann einMeisterwerk entstanden sein in Behandlung von Farbe, Zeichnung,Anordnung, Stimmung; ganz unabhängig vom Gegenstande wurdenicht ein Mops, sondern ein Bild geschaffen.

Nicht minder greift Nnmohr Lessings Trennung eines höherenKunstgenies von der technischen Ausführung an, die den Dichter derEmilia Galotti zu dem berühmten Ausspruch führte, Rafael wäre,auch ohne Arme geboren, das größte malerische Genie gewesen:Denn Rumohr hatte erkannt, daß znm Maler die Haud gehöre,daß das Darstellen des Empfnndenen eben den Künstler vomDichter unterscheide, der es anszusprechen hat. Der ist kein Dichter,der das dichterische Wort nicht findet; der ist kein Maler, der den