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Die deutsche Kunst des 19. Jahrhunderts : ihre Ziele und Thaten / von Cornelius Gurlitt
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Rumohrs Ziele.

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künstlerischen Eindruck nicht gestalten kann. So habe Lessing trotzallein seinen Suchen nach den Grenzen der Kunst, deren eigent-liches Reich, das wahrhaft Künstlerische nicht gefunden; wie dennnach Rumohr auch die künstlerische Seite der Antike nur künst-lerisch zu erkennen sei. Der Gelehrte, dessen gefeiertstes Buch derGeist der Kochkunst war, der in diesem darlegte, wie sehr er aufVerfeinerung der beobachtenden Sinne bedacht gewesen ist, erwiessich mithin auch den anderen Künsten gegenüber als im hohenGrade anfnahmefähig.

Die herrschende, klassisch-philosophische Kritik wollte, daß derKünstler die Grundformen der Schönheit auf die mit tiefer Kenntniserfaßten Gestalten der Natur anwende, um so zum Stil zu ge-langen; sie wollte im Motiv, dem Vorwurs, nur die besondereForm betrachten, unter der die Idee auf die Empfindung desKünstlers einwirke. Dem stellte Rumohr entgegen, daß der Vor-wurf eine aus Anfälligen Anregungen veranlaßte Verbindung vonVorstellungen sei, also etwas, was im Künstler selbst entstehenmüsse. In der Kunst, die notwendigerweise an eindringlicher Kraftden Naturformen nachstehe, seien diese nicht durch Schönheit zu ver-kläre», sondern müssen mit Sinn ersaßt werden. Der Stil bernhenur in der leichtfaßlichen, dem Sinne wohlgefälligen Verteilungund Anordnung des bildnerischen und malerischen Stoffes. Nuinohrunterstützt also Carus' Ansichten mit dem ihm durch die Gegneraufgezwuugeue Bestreben, verteitigend sie in ästhetische Formeln zubringen; doch auch er ohue Beruf und ohne die Kraft gegen daszu einem festen Bollwerk sich zusammenballende ästhetische Zeitsystemmit entscheidenden Schlägen vorzugehen. Wohl aber half er kräftigmit, das Gefallen an der Kunst aller Zeiten und Völker zu stärkenund zu verbreiten und durch diese Bcreicheruug der kunstgeschicht-lichen Einsicht jene ästhetische Schule zu erschüttern, die von derAntike allein ihre Wahrheiten entlehnt hatte.

Rumohrs ganze Auffassung drängte ihn dahin, vielerlei Knustergrüudeu zu lernen, sich des Schönen in verschiedenster Form zuerfreuen. Ihm war das Wort unverständlich, daß die Schönheitnotwendig eine sei, da er sie doch in der Welt und der Kunsttausendfältig verschieden sah. Dies führte ihn zn dem Streben, die