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V. Die Romantiker.
Ranges berufen, die verstände!?, was edel und was schlechtsei, und die anch den heiligen Ernst hatten, das Schlechte rück-sichtslos dem Trödler zu überantworten. Und diese kauften eifrig;fing man doch in England schon zu sammeln an, fand sich dochoft ein spleeniges Beef in granem Cylinder und schottischemPlaid, das für den geschmacklosesten Plunder im Perückenstil lächer-liche Preise zahlte; begannen doch die Franzosen in ihrer Hohlheitund Frivolität den Stil Ludwig XIV . und XV. wieder nach-zuahmen, seit die Restauration nicht nur den Thron Frankreichs ,sondern auch die alten Thronsäle umfaßte, in denen das Königs-tum geglänzt hatte. Wir aber in Deutschland wußten, was edleKunst sei und dachten zn ernst über deren Wert, als daß wir diefalsche, gleißncrische, verlogene Schönheit des Perückenstils einesBlickes gewürdigt hätten. Nicht den einzelnen Personen ist einVorwurf zu machen, wohl aber der küustlerischen Urteilslosigkeitund Roheit des Idealismus. Mein Vater erzählte mir, Corneliushabe, wenn ich nicht irre, zur Feier der Einweihung der neuenPinakothek, die herrlichsten getriebenen Nenaissancehelme umgekehrt,auf Pfähle nageln und als Pechpfannen benutzen lassen zu Ehrender neuerstandenen echten Knust! Das Schlechte mußte verachtet,der Zopf abgeschnitten werden!
Der Dom zu Vamberg blieb nicht der einzige, der in dieStilreinheit zurückversetzt wurde. Ich ziehe ihn hier nur alsfrühes Beispiel au. Sein Gegenstück ist der Dom zu Speyer .Dort handelt es sich um eiu Werk, das sehr schwere Schicksaledurchgemacht hat: 1689 hatten ihn die Franzosen niedergebrannt,nachdem 1450 ein Brand schon vieles vom alten Kaiserban zer-stört hatte. 1772—1784 hatte I. F. Neumann den Dom wiederaufgebaut, iu einem verwunderlichen, aber geistreichen späten Rokoko,1794 hatten die Franzosen ihn wieder in Brand gesteckt. Seit1845 ließ König Ludwig I. durch den Architekten Hübsch dieWiederherstellung beginnen. Man untersuchte den Ban auf seineältesten Bestandteile und trachtete, ihn auf Grund dieser in seinealte Form zurückzuversetzen. Dort wo sichere Anknüpfungspunktedarüber fehlten, welche Absichten der erste Baumeister hatte, trat diefrei schaffende Arbeit seines letzten Nachfolgers in ihr Recht. Er