Das Restaurieren, — Das Ausmalen,
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hatte sich nur recht tief in den Geist des elften Jahrhunderts zuversetzen uud aus diesem hervor etwas zu schaffen, was dem Ge-schmack des neunzehnten Jahrhunderts nicht widersprach.
Mau scheint aber doch, nachdem man alle störenden Ein-bauten zunächst aus dem Innern des Domes entfernt hatte, überdie Nüchternheit des Baurestes erschrocken zu seiu. Daher ordneteder König an, daß der Dom ausgemalt werde. Zwei Dingewurdeu somit erreicht: Der Dom wurde ein Denkmal seiner Ge-schichte, dadurch, daß man die wichtigsten Ereignisse, die auf ihnBezng hatten, zur Darstellung brachte; uud zweitens wurdeu derKunst monumentale Aufgaben gegeben, an der sie sich immer mehrvervollkommnen konnte. In Speyer malte Johann Schrau-dolph lange Jahre. Bald folgten ähnliche Aufgaben. Das Aus-malen alter Kircheu und Schlösser wurde eine der künstlerischemForderungen der Zeit. Kaum ein deutscher Staat, der nicht solchenArbeiten seine Mittel zur Verfügung stellte, Arbeiten, denen vomersten Tag an der Stempel des inneren Mißlingens auf die Stirugedrückt war und zwar umsomehr, als das stilistische Empfindendurch kunstgeschichtliche Kenntnis gesteigert war.
Auch iu den frühereu Jahrhuuderteu wareu alte Kirchen aus-gemalt worden. Es geschah, um ihnen den Eindruck der Neuheitzu geben. Jetzt malte man sie nen, um sie alt erscheinen zu lassen.Es kam ein schwerer Zwiespalt iu die Bauten. Sollte der Malerin seinen Bildern gleich dem Baumeister versuchen in alter Weisezu schaffen? Sollte er die kindlich und steif erscheinende romanischeWeise nachahmen? Es wäre die Vernichtung des eigenen Ichin seinem Werk gewesen. Es blieb ihm nnr übrig, die Gegenständewomöglich so zu wählen, daß sie in den alten Bau paßten. Aberso oft Geschichte aus dem Mittelalter in größter Echtheit in diealten Kirchen gemalt wurde — immer sah man an der innerenStillosigkeit des Geschaffenen bald ein, daß nicht der Gegenstand,sondern die Auffassuug das Bild machte. Selbst die Darstellungenältester Hciligengeschichte, selbst die mit dem Bau gleichzeitige!? Vor-gänge ergaben doch immer nur moderne Kunstwerke. Je freier, jeernster der Künstler schuf, je tiefer er sich in Vergangenes ver-setzte, um so klarer mußte ihm werden, daß er etwas viel Fremderes
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