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Die deutsche Kunst des 19. Jahrhunderts : ihre Ziele und Thaten / von Cornelius Gurlitt
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V. Die Romantiker.

in den Bau einfüge, als das im Laufe der Zeiten in ihm Ge-wordene. Jeues hatte laugsam umbildend aus der Zeit herausgeschaffen, er griff mit plumper Haud iu eine vergangene Zeit hinein.

Bamberg uud Speyer ergänzen sich als Beispiele einer künst-lerischen Thätigkeit, die nun bald eine der hervorragendsten derRomantik wurde, des Restauriere»?, Es giebt jetzt, zu Eude desJahrhunderts, nicht mehr viel Kircheu, die noch nicht restauriertsiud, ich keime solche, die schou dreimal anders stilgerecht Mieder-hergestellt wnrden. Es betreten Pfarrer, Kirchenvorstand undBaumeister die Kirche, stellen fest, was in ihr künstlerisch wertlossei und deshalbraus" müsse, tauscheu ihre Meinungen über neueBedürfnisse aus, und wenn dann die Genehmigung von den Ober-behörden eingeholt ist, wird dem Innern nnd Äußern der Kircheeine zweckmäßige nnd stilvolle Gestaltung gegeben. In anderenFällen ist es ein Dombauvereiu, der die Stelle des Anregers, desBauherrn vertritt; oder ein Fürst, dessen Bildung und Schönheits-sinn die verunstaltete Kirche nicht zu ertragen vermag.

Dieser Vorgang ist etwas thatsächlich neues, nur der Kunst-geschichte dem neunzehnten Jahrhundert eigenes. Zn allen Zeitenhat man unfertige Bauten ausgebaut; solche, die mißfielen, ver-ändert. Man that dies, indem mau das Alte dem neuen Geschmackanpaßte, nicht indem mau das Neue dem alten Geschmack anpaßte.Wenigstens sind mir nnr wenige die Regel bestätigende Ausnahmenbekannt. Zur Zeit der Renaissance baute man im Geist der Alten,mau studierte fleißig die Denkmäler Roms. Aber man überließdies den Architekten und hieß sie neue Bauten schaffen und sichSteine von den alten holen, nicht aber die alten Bauten wiederherstellen. Deuu die Architektur wurde damals ohne vielen Aufwandvon Ästhetik durch den Zweck bestimmt. Man baute, um Kircheu,Paläste zu habeu; man ließ sie ausmalen, damit sie geschmücktseien: man dachte nicht daran, daß man der Bildung, der Volks-erziehung diene, daß man ästhetische Pflichten erfülle. Man thates mit der Unschuld, mit der man das einfach Verständige ebenmacht, ohne es sich als Verdienst auzurechueu. Jede Zeit gab ihrBestes und war der festen Überzeugung, daß das Ihrige dasBeste sei.