Die stilvollen Erneuerungen. — Protestantische Auffassung. 277
Nun war es zum Lehrsatz geworden, das Alte, Vergangenesei das Gute, wir können mir dnrch dieses zum Besseren gelangen.Alle Kraft des Könnens wnrde dem Alten, dessen Erhaltung, deinStreben gewidmet, etwas zu erzengeu, das so anssah, ^als sei esnicht von uns, sondern von unseren Ahnen vor sieben, acht Jahr-hunderten geschaffen worden.
Unser Jahrhnndert, das so Großes leistete in der Erforschungder Geschichte, das so ungeheure Mittel aufwendete zur Erhaltungder Kunstdeukmäler — kein zweites hat eine ideale Aufgabe daringesucht, nur um der Denkmaler, nicht um ihrer Benutzung willengroße Kosten zu verwenden — unser Jahrhundert, das mit soeisernein Fleiß am Alteu lernte, den Künstlern vergangener Zeitenjede Einzelheit ihrer Schaffensart absah, das Können der Jahr-tausende auf sich zu häufeu suchte, es sorgfältig in Büchern undMappen zu sammeln bestrebt war, ist trotzdem wohl dasjenigegewesen, das neben den Zeiten der Bilderstürmerei die meistenKunstwerke zerstörte. Und zwar geschah dies nicht, um wie dieBilderstürmer gegen einen wirklichen oder vermeintlichen Miß-brauch der Kunst anzugehen, sondern aus Kunstbegeisterung, imNamen der Kunst, freilich aus gelehrt kritischer Begeisterung unddaraus ersprießender Unfähigkeit zn einfach sinnlichein Genuß.Vielleicht wird die Zukunft die schwerste Anklage in künstlerischerBeziehung für unser Jahrhundert mit diesem Vorgange begründen,mit seiner auf Gelehrsamkeit uud überwiegender Verstandesthätigkeitberuhenden Roheit.
Ein Unterschied hierin besteht nicht zwischen Protestanten undKatholiken. Beide erwiesen sich als gleich roh, sowie der ästhetisch-stilistische Eifer bei ihnen gereizt war. Bei den Protestanten waraber der Erfolg noch viel trauriger. Sie kamen zu der Über-zeugung des eigenen Kunst-Unwertes, sie kamen zu einer wahreuSelbstverlästerung! Fielen doch die Jahrhunderte seit Luther allein die schlechte Zeit, glaubten doch selbst die kampflustigen Zions-wächter den katholischen Romantikern aufs Wort, daß der Protestan-tismus uichts für die Kunst geleistet habe. Man frohlockte amRhein ! Zu gleicher Zeit, als der Umbau des Kölner Domes be-gann, hatte man auch einen Dom für Berlin geplant. Seitdem