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Die deutsche Kunst des 19. Jahrhunderts : ihre Ziele und Thaten / von Cornelius Gurlitt
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V. Die Romantiker.

der Westfale Wilhelm Achtermann . Als Künstler ist er keines-wegs eine Lenchte ersten Ranges, und wenn ich oberster Richter imReiche der Knnst wäre, der dnrch die Nennung eines Namens indiesem Buche die Gerechten von den Ungerechten trennen müßte,würde ich ihn vielleicht so wenig erwähnen wie andere Kunstgeschichts-bücher dies thun. Aber er ist eine bezeichnende Erscheinung: einslichter Ackersmann", wie er sich sein Leben lang nannte, kam ererst mit dreißig Jahren an die Berliner Akademie , mit vierzig Jahrennach Rom , immer noch, trotz seiner stattlichen Westsalengestalt, einhilfloser, ungefüger, über sein eigenes Können erstaunter Bnrsch,dem die Häude in den Schoß sanken, wenn die Mittel versagten;der im Gebet am Rosenkranz darauf wartete, daß sie von irgendeiner Seite ihm zuflössen. Und wirklich kam dann anch eine schönevornehme Dame in kostbarem Wagen daher und gab ihm Geld fürsein Bildnis des Gekreuzigten, viel mehr als er zu fordern gewagthätte. Er liebte es sehr, nicht ohne Bauernschlanheit diese Vorgängezu erzählen, wie auch seine höchst merkwürdige Heilung vom Bandwurm,den er zum Beweis in einer Spiritusflasche bewahrte nnd jedermannvorwies. Die Schwärmer für das Mittelalter hatten in ihrer Be-geisterung für die Hütten der Steinmetzen, die sie ebenso sür die Werk-stätten der Baukunst als der Bildnerei hielten sehr mit Unrechtdie Ansicht gewonnen, daß ans der handwerklichen Tüchtigkeit dieNeugestaltung der Kunst hervorgehen müsse. Ihnen war daher derals holzschnitzender Schäfer in die Kunst gelangte Achtermann vonvornherein eine hoffnungsvolle Erscheinung, sein Hereintreten ausdem Volk in das gefeierte Reich der Kunst ein Wunder. Wunderverrichteten denn anch seine Werke: Ein reicher Engländer wurdedurch sie zum Katholizismus bekehrt; die Schwester eines römischenPfarrers wurde durch das Gebet vor seinem Krnzisix geheilt: beimNerladen eines fertigen Marmors in das Schiff ereigneten sich unterdem Gesang desora pro nvbis" die sonderbarsten Dinge. So sagtdenn auch die Urkunde im Sockel der Pieta im Dom zu Münster i. W,daß Achtermaun zu der sehr kleinen Zahl jener gehöre, die Gott durchseinen Hauch augeregt uud uicht ohne offenkundige Zeichen seinerFürsehung ans den höchsten Gipfel der Knnst emporgehoben habe;er sei ein in jeglicher Tugend höchst ausgezeichneter Mann, Je eine