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Die deutsche Kunst des 19. Jahrhunderts : ihre Ziele und Thaten / von Cornelius Gurlitt
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Achtermcum. Stellung zu Thorwaldse».

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Partikel vom Holze des heiligen Kreuzes liegt im Haupte des Hei-landes und der Juugfrau; die goldenen Heiligenscheine hat Pins IX.selbst gesegnet. Der Künstler, der sein Leben lang dem selbstauferlegten Gelübde der Keuschheit gehorsam blieb, eine Kirche baute,sein Vermögen an Stiftungen hingab, hat allen Anspruch daraus,von der Kirche selig gesprochen zu werden: Leatus Ouillielmus^.olitsi'ma.nll!

Er war wahrlich eine andere Natur als der Heide Thorwaldseu.Und gewiß hat Achtermann über dessen Apostel ebenso gedacht wieFührich. Und wie bei diesem, ist es kein Zweifel, daß bei Achtermanndie religiöse Empfindung echt war, wenn er gleich im Leben etwas starkden Stolz des Gerechten merken ließ. Aber wie bescheiden ist derinnerliche Unterschied seiner Kunst von der jener, die ihm an kirch-lichen Tugenden nicht gleichen. Sein Christus in der sehr aka-demischen Pieta, die er zwölfmal wiederholte, hat seineu Ursprungin Michelangelo , wie jener Rietschels; hat aber mehr klassischer Glätte,weniger künstlerisches Blut, als diese. Seiue Kreuzabnahme mit fünsFiguren in wohlgegliederter Gruppe ist im Aufbau eine beachtens-werte Leistung für die Zeit. Es ist von der Innigkeit des Overbeckerstaunlich viel mit herübergerettet in die harte Wirklichkeit derBildnerei; manchmal überrascht die Kraft, mit welcher der klassischenVersöhnung aller Härten, der weichherzigen Linienschönheit derLanfpaß gegeben wurde zu Gunsten von Anordnungen, die an das15. Jahrhundert mahnen. Achtermann schien sich bewußt wordeuzu sein, daß für ihn, den früheren Holzschnitzer, in der nieder-ländischen Schule das Vorbild zu suchen sei. Und so ist seinWerk mehr als Vollrelief, wie als freistehende Grnppe gedacht, einvergrößertes Schnitzwerk aus einem mittelalterlich niederrheinischenAltar. Aber trotz diesen Versuche», vom Mittelalter oder doch vondessen letzter Zeit zu lerueu, kommt er nicht über Äußerlichkeitenhinaus. Im ganzen künstlerischen Gehalt bleibt auch Achtermannund bleiben die zahlreichen für die Kirche beschäftigten Bildhauerinnerhalb der herrschenden, vorwiegend antikisierenden Schule. Achter-mann ist aus Rauchs Geist geboren, Rietschel durchaus verwandt.Der gläubige Katholik war künstlerisch dem Heiden wie dem Pro-testanten gegenüber keine gesonderte Erscheinung. Seine Kunst kam

Gurlitt, lg. Jahrh. 19