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Die deutsche Kunst des 19. Jahrhunderts : ihre Ziele und Thaten / von Cornelius Gurlitt
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V. Die Romantiker.

Die Bildnerei hat besonders unter diesem Zwiespalt gelitten.Die Malerei fand Gebiete, in welchen sie sich freier ergehen konnte.Es wird im allgemeinen schwer fallen, neben dem Unterschiede, derzwischen katholischer und protestantischer Kirchenmalerei im Inhaltbesteht, auch einen in der Auffassung festzustellen. Overbeck kam ausdem Protestautismns, seine Art stand sest, ehe er zum Katholizismusüberging. Der junge Julius Schnorr von Carolsfeld wider-stand der kntholisierenden Richtung, der sich sein minder bedeutenderBrnder durch deu Übertritt anschloß. Kein feinerer Kopf in derdeutschen Kunst und kein tieferes Herz als Julius Schnorr , der,ehe er nach Rom kam, durch die Maler Olivier in den prä-rafkielitischen Geist eingeführt worden war. Er suchte die künst-lerische Wahrheit mit emsigem Fleiß, mit einer außerordentlichenVertiefung in die Einzelheiten der Natnr. Seine Höhezeit reichtbis zn dem Augenblick, da er sich in Rom an die italienische Knnstverlor und in Cornelius' Fußstapsen tretend, das wurde, was mandamals gewaltig nannte. Kaum an einem anderen Künstler kannman den schädigenden Einfluß Italiens auf die Entwickelung dernationalen Art so deutlich verfolgen wie an Schnorr. Es warals sollte sich an den Künstlern das Schicksal des mittelalterlichendeutschen Volkes erneuern, daß sie ihr bestes Blut und ihreeigentlich schaffende Kraft ihrer Sehnsucht nach Beherrschung desSüdens opfern. Es giebt eine Anzahl Bilder aus Schnorrs Jugeud,die mit einer Herzenseinfalt nnd seelischen Tiefe gemalt sind, indenen bei vielen Härten im Ton und der Zeichnung, aus zahl-reichen Anklängen an das Mittelalter eine Innigkeit der Beob-achtung hervorleuchtet, wie sie kaum eiu zweiter iu jener Zeit be-scsseu hat. Wenn diese Triebe, die so voll und schön ansetzten, hättenausreifen können, wenn nicht das von Rafael und Michelangelo entlehnte zeichnerische Pathos über die zarten Sprößlinge mit er-drückender Gewalt hereingeprasselt wäre, so wären wir vielleichtein halbes Jahrhundert früher von der Nachahmerei und Stil-befangenheit losgekommen, wäreu vielleicht wir statt der Engländerzu Führern ins Neuland der Kunst geworden.

Bei Schuorrs Landsmann Peschel findet man ähnliche Ansätze,anch sonst ließen sie sich noch hier und dort verfolgen. Es sind