302
VI. Die historische Schule.
das seinen Schinkel nicht verstanden habe, das es nur zu schlechtenWitzen und zn einer Hegelschen Philosophie gebracht habe im Gegen-satz zu dem Meister, der es sich nicht eben angelegen sein lasse, znden Berlinern in ein näheres Verhältnis zu treten, gegen den mandort also nicht die gleiche Pietät haben könne, wie in München .Ein Schrei des Unwillens durchzuckte die Stadt, als sie desMeisters Bild, Christus unter den Erzvätern in der Vorhölle, sah.Sollten diese harten, schweren, zum Teil unvermittelten Farbenfür Malerei, diese körperlosen, im einzelnen widernatürlichenFormen für Zeichnung und Plastik, diese seltsam zurückgewundenenAugen für Ausdruck gelten? Sollte dies zum Teil ganz apathi-sche, zum Teil allerdings leidenschaftlich angelegte Znsammensitzenund Zusammenstehen eines Kreises, in dessen Mitte ein mangel-haft organisierter Mann mit alisgebreiteten Armen stand, die Be-freiung der Seele vorstellen? Schlimmer noch erging es Corneliusbeim zweiten Auftreten, dem Erscheinen der Stiche zu Tassos be-freitem Jerusalem. Mau erklärte sie als unter Retzsch, dem damalsschon ganz veralteten, stehend. Kehrte Rafael wieder, rief Kugleraus, und wollte uus Arbeiten dieser Art unter der Autorität seinesNamens aufdrängen, ich würde sie mit Entrüstung von mir weisen!
Ähnlich heftig war die Gegnerschaft in London . Die Naza-rener, sagt ein Aufsatz jener Zeit, der auch Cornelius in derenKreis mit einschloß — die Nazarener hätten zwar gut gethan,die Kunst zur Umkehr aufzurufen, in ihr eine Sprache für alleMenschen zu betrachten, durch die höchste Wahrheit zu predigensei. Aber zum Predigen gehört, daß man mit dem Worte gutausgerüstet sei: sie aber würeu ungeübt, das Schöne darzu-stellen nnd hätten den verführerischen Kunststücken ihrer Gegnernur das Häßliche entgegenzustellen gewußt. Die Idee helfe uichtüber die Schwächen der Form hinweg: Wir wollen das Bild undnicht dessen Philosophie betrachten. Das war der Gedankengang,der mich in Deutschland immer mehr die Menge, die Künstler undendlich auch die Kritiker an Cornelius irre machte. Man erkanntenun vor allem Cornelius Stil zu, nämlich das Hinüberführendes Idealen in technische Gewöhnung, um mit Bischer zu sprechen,jenen architektonischen Zug, der alles Klare, Zerfahrene, Dünne,