Zgß VI. Die historische Schule.
in der Kunst; was habe ihm sein Geist genützt ohne Liebe? denndie Kunst bedürfe der Liebe, wie die Liebe des Könnens. Nurwer Hähnel kannte, versteht den Humor dieser Beurteilung! Esist ein gutes Stück Neid in ihr versteckt darüber, daß Rahl ihm invielerlei Können sehr überlegen war.
Eine Borahnung der Richtung der Folgezeit zeigt sich inGenelli und Rahl, die Rückstrahlung der Sinnlichkeit, die unter derHerrschaft des Gedankens einzudörreu in Gefahr war!
Sie ist es auch, die Wilhelm Kaulbach seinen unvergleich-lichen Einfluß auf den Geschmack des deutschen Volkes gab. Esgiebt eine Sinnlichkeit, die mit dem Sinneswerkzeug des Auges inder Natur wahr sieht und eine andere, die ans dem Erkennendes dem Sinn Angenehmen zum Besitz reizt. Das ist die nachKant unästhetische, ohne die aber nach meiner Ansicht es keineKunst gäbe. Kant nnd nach ihm so viele Kritiker, zu denenkantische Ideen auch dann sich durchgeschwitzt hatten, wenn sieselbst nie eine Zeile von ihm lasen, wollen, daß das Wohlgefallen,welches das Geschmacksnrteil bestimmt, ohne Interesse sei; oderwie I. Goldfriedrich dies neuerdings aus Kant entwickelt: indemwir etwas als schön beurteilen, abstrahieren wir von der Be-friedigung unseres Begehruugsvermögens. Mir will scheinen, dasdies unwissenschaftlich ausgedrückt, heißt: Schön ist, was uns nichtbegehrlich macht. Die Künstler waren aber wohl allezeit darübereinig, daß, was uns begehrlich macht, nicht immer schön zu seinbrauche; daß aber das sinnliche Begehren ein gnt Stück Antriebzur Kunst sei, daß auch die geistige Besitzergreifung der Natur unddas Festhalten ihrer Form ein sinnliches Begehren sei.
Kaulbachs Sinnlichkeit hat etwas von jener Heines. Siehüllt sich in allerhand Schleier, sie wagt sich nicht offen an den Tag.Man hat den Eindruck, als wäre sie sein Lebenlang nicht zur Ehegelangt, sondern als habe sie ihn zur Kunst in das Verhältniseiues heimlich zuschleicheudeu Liebhabers gebracht. Es giebt vonihm eine Anzahl von Zeichnungen, in denen er die dickstenSchweinereien darstellt. Mau sieht ihnen an, wie sehr dem Malerder Nerv dabei erregt war. So etwas hat nur noch Guilio Romanogemacht, dem er in so Vielem ähnlich ist, obgleich die Lehrer beider sich