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VI. Die historische Schule.
zieht, und daß ich keineswegs die sinnbildliche Formengebnng anden Einzelheiten vermisse, ebensowenig wie äußerlich angefügtenSchmuck. An dem Riesenbau des Eiffelturmes wurde erst rechtaller Welt klar, daß sich hier eine neue Form der Schönheit ausder technischen Wahrheit ergebe, gegen die zu verschließen nurdem möglich sei, der eben auf seiuen alten Ansordernngen an einBauwerk, auf seinem sachlich nicht nachzuprüfenden Gefühl fürVerhältnisse stehen bleibe. Die Eindrücke aber, die so viele vorsolchen Bauten der Ingenieure empfinden, einfach für nicht ästhetischzu erklären, geht nicht an. Siud doch die ästhetischen Bedenkendaher entstanden, daß man im Eisenbau eine Gesetzmäßigkeit suchte,die außer ihm liegt; daß man also an ihn mit ganz falschen ästhe-tischen Absichten herantrat; und daß wir jetzt erst damit beschäftigtsind, uns in die neuen von ihm gegebenen Bedingungen einzuleben.
Für den Hausbau ersetzt das Eiseu zumeist das Zimmerwerk,die Holzkonstruktion. Die Grundbedingungen sind die gleichen.Semper sah hier im Eisenbau einen mageren Boden für dieKunst; fand, daß die Einschränkung der Massen in den Bangliedernauf das geringste mit der Haltbarkeit uoch verträgliche Maß aufeine Architektur hinauslaufe, die er als unsichtbar verspottete.Auch noch K. E. O. Fritsch sah in einem 1890 gehaltenen Bor-trage hierin das erschöpft, was sich über die Aussichten des Eisensals des Grundstoffes für den Stil der Zukunft sagen lasse. Eslasse sich wohl ein guter Eisenstil finden, wie es einen Holzstilgebe. Aber wie dieser neben dem Steinstil als dem maßgebendenstets seine volle Selbständigkeit behauptet habe, so werde auch derEiseustil selbständig neben dem Steinstil einhergehen, nicht diesenumbilden. Dem frommen Glauben vieler, daß man im Eisenstil denfür die Zukunft allgemein gültigen gewinnen werde, müsse manentsagen.
Das ist gewiß richtig, wenn man uuter Stil eine Formen-reihc versteht, die von nun ab auf alle Stoffarten zu verwendenist, so daß auch der Stein im neuen, vom Eiseil stammendenStil behandelt werde; so etwa, wie man lange das Eisen mitSteiuformen umkleidete. Mir will eben scheinen, als liege hier derFehler unseres Verhältnisses zum Eisen, daß wir seine eigentüm-