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Die deutsche Kunst des 19. Jahrhunderts : ihre Ziele und Thaten / von Cornelius Gurlitt
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Eisen ini Hausbau, Neue Bauarten.

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lichen knappen Formen nicht als schön zu empfinden vermögen,weil wir sie sehr nngerechterweise mit ihnen fremdem in ver-gleichende Beziehung setzen. Daß sich durch die bisher zumeistfehlende saubere, zierlich durchgeführte Gestaltung der eigentlichenZweckformen eine Schönheit werde fiudeu lassen, die dann ebenEisenstil ist; daß es bisher den Jngenieureu nur zu oft an den Mittelnund öfter an dem Streben gefehlt hat, eine Eisenkonstrnktion auchuur annähernd mit der Feinheit und der liebevollen Sorgfaltdurchzuführen, die ein Steinmetz, Zimmermann und Tischler fürseine Arbeiten einsetzt; daß grober Guß und plumpe Maschinen-mäßigkeit noch vorherrsche, hat den Glaubeu bestärkt, durch Um-kleiden, durch Anstrich mit einem armseligen Grau das Eisen ver-decken zu müssen. Wirklich künstlerische Durchbildung des Gusses,der Verbindnngskonstrnktionen, geeignete Verwendung von Schliff,Vergoldung, farbige Bemalung, das hcißr die sorgfältige Behand-lung der zweckdienlichen Form, wird sicher schneller für das Eisenden Eisenstil herbeibringen als die Stilisierungsversuche der ananderen Stoffen gebildeten Künstler.

Große Wirkungen lassen sich durch Metall iu Verbindungmit anderen Baustoffen, nameutlich mit dem Gips, erzielen. Dieaus Drahtgeflecht gebildete Nabitzdecke, die neuen Banweisen frei-schwebender wngerechter Decken, die gewonnene Leichtigkeit in derBildung weitgespannter Räume, ohne daß in diesen die Konstruktionaugenfällig, ohue daß also auch durch diese Nugeufälligkeit derEindruck des Unwahrscheinlichen, Gebrechlichen im SemperschenSinn erweckt wird, ist vielleicht eine wichtigere Neuerung für denHausbau als die rein in Eisen gebildete Konstruktion. Entscheidendist hier die Zweckmäßigkeit, die Erfüllung der gestellten Aufgabe,und zwar die rücksichtslose, um sogenannte ideale Anforderungenunbekümmerte Erfüllung.

Diese nun mußte sich auch au anderen baulichen Ausgabenversuchen. In keinem Gebiete zeigen sich die verwandten Zeit-strömungen deutlicher, als im protestantischen Kirchenbau. War beiden Katholiken die Gotik ein sicherer Besitz geworden, aus demnur wenige sich in ältere Stile, etwa in den romanischen, nochweniger in neuere, die Renaissance oder gar das Barock, hinüber-