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VI. Die historische Schule.
wagten, so standen die Verhältnisse bei den Protestanten des-halb anders, weil man Wohl empfand, wie es an einer eigenen,völlig dem Bedürfnis entsprechenden Bauform fehle. Die Be-mühungen Schinkels um eine solche sind schon erwähnt. Der Ge-danke, daß der Gottesdienst in dem wenigstens an Zeit die Predigtdie unbedingte Vorherrschaft hat, eiue audere Kirchenform bean-spruche als der Meßgottesdienst, war so richtig, daß er nicht zurNuhe kommen konnte. Neben zahlreichen anderen Versuchen tratnamentlich die Berliner Schule uud zwar Wilhelm Stier 1827, Ed. Knoblauch 1846 mit solchen hervor, in denen derGedanke festgehalten wurde, die zum Anhören der Predigt und zumEmpfang der Sakramente vereinte Gemeinde zu umbauen, entwedermit eiuem Saal, der allen Gcmeindezwecken dient, oder mit einemHauptraum für die Predigt und Sonderanordnungen für Taufe,Abendmahl, Eheschließung, Totenfeiern.
Diesen Versucheu traten die Stilisten entgegen, die den Vorzughatten, auf fertige Vorbilder hinweisen zu können. Sie stütztensich auf die Kunstgeschichte und wirkten mit dieser auf das Gestaltender Neubauten ein. Zunächst der preußische Gesandte in Rom ,C. K. I. v. Bunseu, der 1842 auf die altchristlichen Basilikenwies. Ein vorhandener Typus der Baukunst sei etwas Heiliges,Ehrwürdiges, seine Verletzung eine mutwillige Versündigung andem Grundverhältnis alles Seienden, eine Lüge gegen den Geist.Man solle aus dem Gottesdienst alle Willkür späterer Zeiten ent-fernen nnd mit den Urformen des Gottesdienstes zu jenen desKirchenbaues zurückgreifen. Diese Anschauungen hatten KönigFriedrich Wilhelm IV. mehrfach zum Bau von Basiliken durchPersius und Stüler veranlaßt. Der Berliner Dom wurde bis1848 als Basilika erbaut, kam aber über die Grundmauern nichthinaus. Aber schon Bunseu weudete sich gegen diese altertümeludeund bei ärmlicher Ausführung schennenartige Bauweise und wiesauf den germanischen Gewölbebau, der die Sprache des deutschenVolkes rede. Diese Anschauung, daß die Gotik der Stil der Deut-scheu uud der Stil einer schlichten, aber begeisterten Frömmigkeitsei, packte auch die Protestanten. Unter ihnen entstanden die eif-rigsten Lobredner für den Kölner Dom , die entschiedensten Vertreter