Fvrmalismus im Kirchenbau.
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die Kultusaulageu beider Bekenntnisse gemeinsam.' Er schließtzwar alsbald die Kathedralen, Stifts-, Kloster- und Wallfahrts-kirchen der Katholiken von sder Behandlung aus, findet aber inden Pfarrkirchen eine Anhäufung von architektonisch verknüpftenBauteilen, die für beide gleich sind. Der Unterschied ist ihmüberall nebensächlich, er erläutert ihu zwar, aber es fehlt jederHinweis darauf, daß dies Ergebnis infolge verschiedener Artung desGottesdienstes grundsätzlich verschiedenartig sein müsse. Demgemäßschuf er auch. Ju seinen Kirchen ist nur aus der Einrichtung,bestenfalls durch die stärkere Betonung des Emporenbaues zu er-kennen, welchem Bekenntnis sie angehöreu.
Bei beiden Künstlern erlangte der formale Idealismus über dievon Semper geforderte Zweckerfüllung den Sieg, über jene Kunst-bestrebungen, welche die Theologen als rationalistisch ablehnen zumüssen glaubten. Der Grundgedanke war der, man wolle Kirchenhaben, die schön und kirchlich seien; die Zweckerfüllnng habe sichdiesen Forderungen unterzuordnen. Man hatte rückwärts schallendeIdeale, stellte sich nicht eiu eigeues Ziel, sondern suchte eiu fremdes,so gut es giug, zu erreichen.
Wie die Berliner Maler der französischen Schule, so hat ihrGeistesgenosse Otzen diesem saftlosen Idealismus trefflich gedieut.Die Baukunst, die er ausübt, ist geschmeidig, glatt, makellos, bringtstets ein sanberes, gefälliges Ganze. Sie beherrscht die Mittel inso hohem Grade, daß sie nicht in Verlegenheit zu bringen ist. Mirist sie, seitdem ich mir darüber klar geworden bin, daß die Kunstnicht bloß das Schöne erzeugen solle, sondern innerliche Zwecke ver-folgen müsse, immer peinlicher geworden. Ich sehe da eine unan-genehme Seite der protestantischen Geistlichkeit banlich wirksam. DerPastor, der seine Frömmigkeit äußerlich schaubar zeigen will, dersie in Haartracht und Mienen, in Kleidung und Tonfall der Stimmebekundet. Nicht die markige Kraft des Bekennens steckt in OtzensBauten, nein, sie triefen von Pomade, von aalglatter Augeu-dienerei. Schou oft hatte ich darauf hinznweisen, wie gerade demIdealismus, dem, der ans Beherrschung der Knnstmittel drängt,die Schwäche der historischen Kunstschule anhastet. Wem es ernstist um die Dinge, uud wem die Augen scharfsichtig genug wurden,