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VI. Die historische Schule.
die reformierte Kirche darauf sehen mußte, daß ihr Bau nicht entlehnterscheine. K. E. O. Fritsch sah bei der Besprechung dieses Vor-gehens darin einen Beweis für meine Einseitigkeit, da die Linieder Umfassnngsmauer sich ja der der Sitzbank anschmiege. Wun-derbar ist nur, daß sich in anderen Saalbauten diese Anschmiegungnie nötig macht. Ich kenne wenigstens keinen, der in Formdes vierblättrigen Kleeblattes oder des Kreuzes angelegt worden sei.Schall ist Schall , sagt Semper, sei er nun geistlich oder weltlich.Also wie der Vortragssaal am besten gebildet wird, so auch derPrcdigtsaal. Jene Entlehnung alter Formen ist meinem Empfindennach eine unangemessene Verbeugung vor der Kirchlichkeit. Kirchlichist aber das Überlieferte, und die Überlieferung knüpft an katholischeZeit. Kirchlich ist also das Katholische, das von, der ReformationUnberührte. Man wird den Mut haben müssen, ohne Humor dieKircheu zu bauen, das heißt ohne jene bequemen Mittel auf dieStimmung zu wirken; dafür aber mit Ernst, mit dem Ernst, deraus dem Wunsch nach bester Erfüllung des Gottesdienstes hervor-geht; der der künstlerische Ausdruck dieses selbst ist, nicht die Ent-lehnung eines fremden Ausdrnckes zum innerlich unwahren Aufputzder eigenen Absichten. Und darum gab ich im Preisgericht meineStimme der schlichten Arbeit Otto Marchs.
Das Ende des Jahrhunderts hat Adler noch eine wichtige Auf-gabe gebracht: Die Protestautische Kirche iu Jerusalem . Ihre Lösungist bezeichnend. Die Kirche, zu deren Einweihung seit fast einemJahrtausend zum erstenmal wieder ein deutscher Kaiser nach Palästinazog in Begleitung von Vertretungen zahlreicher protestantischerKirchenregierungen, ist im Stil des französischen Mittelalters gehalten.Als die Engländer in Rom ihre Kirche bauten, setzten sie ihrenStolz darein, daß sie englisch uud modern aussehe; Burue Jones,ihr Modernster damals, malte sie aus. Unsere Idealisten sindanderer Ansicht; sie legten das Hauptgewicht auf die an sich zweifellosberechtigte knnstgeschichtliche Seite der Frage. Die deutsche Kirchesoll stilvoll im Geiste von Palästina, im Geist der Kreuzfahrerdes 11. Jahrhunderts, die sie begannen, fortgebaut werden. Siesoll für die Stimmung dort, nicht für die Stimmung ihrer Er-bauer passen; man glaubte nnr dann fromm zu schaffen, wenn