Psychologische Ästhetik. — Göller.
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worden. Warum dies geschah, das lehrte wenigstens mich znerstAdolf Göller in seinem vortrefflichen Bnche Zur Ästhetik derBaukunst 1887, durch die Psychologie begreifen, wenn er gleichseine Untersuchung nur aus diese eiue Kunst erstreckte. Zu-nächst wies er nach, daß es neben der auf dem geistigen Gehaltberuhenden Schönheit im Kunstwerke, auch eine solche der reinenForm gebe, daß ein wohlgefälliges, bedeutungsloses Spiel der Linienoder von Licht und Schatten schön sein könne. Daß sich diesauch auf die Farbe erstrecken könne, daß sich hierdurch selbstdie formal unverständlichsten Skizzen Makarts als schön erklärenließen, liegt auf der Hand. Die Freude am Schönen beruhe uichtauf im Wesen der Dinge allein liegenden Eigenschaften, sondernin der geistigen Arbeit, die durch das bloße Ansehen, das Ein-prägen ins Gedächtnis, dnrch das Schaffen des Gedächtnisbildesim Gehirn geleistet werde. Schön also sei das völlig Begriffene,das das Merken nns zu eigen zu machen strebt. Dnrch dasZusammenstellen verschiedener, früher in den Geist aufgenommenerFormen zu eiuem Bilde, also durch das geistige Nachbilden nndZusammenstellen gemerkter Formen, verschaffe man dem Gehirneine bildende, durch den Erfolg der geistigen Anstrengung ersrcuendeThätigkeit. Sobald aber das Bild iu unserem Gedächtnis allzudeutlich und vollständig geraten sei, sobald dem Gehirn aus seiuemNachbilden keine ernste Thätigkeit mehr erwachse, trete eine Ermüdungdes Formgefühles ein. Diese treibe zum Suchen neuer Gedächtnis-bilder, da der frische Geist in immer neuer Arbeit neue Freuden suche.Daraus ergiebt sich notwendig der stete Wechsel der Stilformen,das Verlassen des Erreichten, sobald es völlig im Geist aus-gereift ist. Dieser Wandel vollzieht sich im einzelnen Gehirn wiein dem der Völker und Zeiten, bald rascher, bald langsamer.Immer wird aus der Unendlichkeit der Natnr eine Form oder eineAnschaunngsart herausgegriffen, lenkt ein Meister auf diese alsZiel des geistigen Schaffens hin. Sie wird nach allen Seiteudurchgebildet, gesteigert, endlich übertrieben nnd schematisiert, danneine Zeitlang als gleichgiltiger Besitz mit fortgeschleppt und endlichfallen gelassen, wie ein erledigtes Spielzeug.
Der eine nun erfaßt die Form in ihrem Reichtum, er findet