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Die deutsche Kunst des 19. Jahrhunderts : ihre Ziele und Thaten / von Cornelius Gurlitt
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VII. Das Streben nach Wahrheit.

alles malen! Das Leben, wie es auf den Straßen lebt, das Lebender Armen wie der Reichen, auf den Märkten uud auf den Renneu,auf den Boulevards und iu den Winkelgassen. Alle Handwerke,wie sie schaffen; alle Leidenschaften kühn dargestellt im hellstenTageslicht. Die Bauern, die Tiere, das Land! . .. O, das Leben!das Leben! Es empfinden und in seiuer Wahrheit darstellen! Esnm seiner selbst willen lieben; iu ihm, in der Natur die letzteSchönheit finden, die unendliche, ewig sich wandelnde. Und nichtden blöden Wahn aufkommen lassen, daß man diese verbessern könnedurch Hernmbastelu; begreifen, daß sogar ihre sogenannten Fehlernichts sind als Merkmale der Eigenart; verstehen, daß lebendeMenscheu, Meuscheu von Fleisch und Blut zu schaffen, zn bildenhöchstes Vorrecht des Künstlers ist, ihn in die Kreise der Götter erhebt!

So läßt Zola 1886 seinen Maler sagen, was zwanzig Jahrefrüher in den jungen Köpfen in Paris brauste. Es ist Manet ,den er schildert, es sind die Impressionisten. 1863 traten siezuerst hervor, verhöhnt, verlacht. Heute giebt es keineu Maler mehr,der von ihnen unbeeinflußt wäre. Sie haben sich die Welt erobert,wie dreißig Jahre früher die Romantiker.

Aber der Sieg war nicht ein so rein nationaler, wie er damalsgewesen war. Wohl warf man den ersten Vertretern auch dieser Schuleihreu srauzösischeu Ursprung vor. Doch mit geringerem Recht. DieFranzosen selbst erkannten deutlich das Fremde in ihnen. DieFrage nach Freilicht lag in der Luft. Wie sie auf seine WeiseFord Madox Brown in England löste, früher als die Franzosenund unabhängig von ihnen, so in Deutschland Adolf Menzel .

Menzels Entwickelungsgang ist so wunderbar, weil sich diegrößten Umwälzungen ohue Unruhe, still uud stetig iu ihm voll-zogen. Er war sein Leben lang ein einsamer Mann, ein solcher,der künstlerisch für sich lebte. Keines anderen und doch alleranderen Schüler; kein Systemeschmied, aber voll innerer Not-wendigkeit; ein Maler, den die Welt auch im Grunde genommenimmer seinen Weg gehen ließ, während sie andere so bitter be-fehdete. Seilte Werke fanden vom ersten Tag bei einigen fein-sinnigen Leuten Anerkennung; diese hat sie in wachsendem Maßstabbegleitet. Aber nie hat die Menge ihm zugejubelt, wie so vieleu,