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die Menzel neben sich von dein Schilde des Ruhmes wieder herab-glciten sah. Das 19. Jahrhundert hat keinen selbständigeren Künstlergesehen als ihn. Er ist vom ersten Tage seines Schaffens sofrei, daß alle ihn berührenden Zeitströmungen alsbald in ihm sichzu rein menzelischen ausgestalten. War um ihn Unruhe und Zer-fahrenheit, er selbst ist nie von ihr angesteckt worden. Die Krastunseres Volkes hat sich in ihm glänzend bewährt. Inmitten dertraurigsten nationalen Selbsteutüußeruug wirkt er in stolzer Ab-schließung. Langsam erkannte die Mitwelt, daß er der Modernstesei, wie denn das Große immer neu ist. Der verfälschte Geschmackbetrachtet ihn lange mit Scheu als ein Fremdes. Er giebt aberdem herrschenden Treiben nicht nm Nagelsbreite nach, erträgt dieAblehnung, den Spott. Endlich drang er dnrch: was so lange vonzweifelhaftem Wert erschienen war, wurde auf einmal schön; wasmau als unreif über die Achsel angesehen hatte, erhob sich über allesübrige Schaffen. Kuirscheud fügte sich die Ästhetik und ihr Schlepp-träger, die Kritik, in die Anerkennung dessen, was ihr den Todgab, woran sich ihre Schwäche, ihr Fehlgreifen am gransamstenoffenbarte.
Menzels Leben ist ein wunderbares Vorausgreifen dessen, wasdie Folgezeit brachte. Der uun greise Künstler hat ein halbesJahrhundert hindurch die Welt damit in Erstaunen gesetzt, daß erWerke schuf, die erst die Folgezeit ganz begriff; daß er die Ge-danken in seinem engen Lebenskreise voraus entwickelte, die danndie Lauten so heftig in die Welt hinausriefen. An ihm konntendie verschiedensten Schulen nicht zweifeln, daß er wirklich einRealist sei. Als solcher lebte er von der Gnnst Preußens, seinesHofes. Das verdient immer wieder gesagt zn werden: Die Lebens-kraft der deutschen Kuust wurde beschränkt, erwürgt von der ge-lehrten Ästhetik uud Kritik, vou der „Bildung". Sie erhielt sichlebenskräftig dadurch, daß sich uicht alle dieser beugten; namentlichdadurch, daß der preußische Hof ein soldatischer war nnd die Kunstsoldatisch, sachlich anfaßte. Friedrich Wilhelm III. hat auf Schadowund Rauch entscheidend gewirkt, einfach durch den Befehl, daßsich der Idealismus der klaren Verständigkeit, die verstiegenenSchönheitsempfindnng sich den Thatsachen unterzuordnen habe. I»