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Die deutsche Kunst des 19. Jahrhunderts : ihre Ziele und Thaten / von Cornelius Gurlitt
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VII. Das Streben nach Wahrheit.

das Glück gehabt, Deutschlands größte Zeit in ihren entscheidendenStaatshandlungen sehen und malen zu können. Er entledigte sichder Aufgabe in einer Weise, die ihm die Nachwelt danken wird.Denn seine Absicht war unverkennbar, die großen Ereignisse, die ererlebte, so wahr wie möglich zu schildern. Sah Menzel die Dingemit den Augen des Feldherrn in ihren Schwächen und Unzulänglich-keiten, doch zugleich mit der Erkenntnis, daß es eben das Großesei, aus vielerlei Eindrücken ein Ganzes zu schaffen; so sah Wernerdie Dinge vom Standpunkt des preußischen Lentenants, der vonder Gewalt der Dinge gepackt, diese über sich hinauswachsen läßtund, seiner Ergriffenheit sich schämend, sie in Scherzen äußert.Wer die Schlacht und ihre Kämpfer kennt, weiß, daß die Witzemachernicht die Helden sind, sondern daß ihre Lustigkeit im Augenblick derGefahr zumeist nur eine verschlagene Angst ist. So steht er auchin der Absicht auf wahrhcitliche Treue unter verschiedenen Herren:Unter der französischen Technik, der mit ihr verbundenen pathetischenAuffassung und Stimmung; unter der staunenden Verehrung fürdie Würden und Personen der Höfe und des Heeres und unterder Berliner Art, die Befangenheit durch Keckheit zu verhüllen.Schneidig erwehrt er sich der von allen Seiten in ihn dringendenBefehle. Aber er kommt nicht zu einer vollen Überwindung desdarzustellenden Augenblicks. In der Kaiserproklamation in Versailles ,den: Berliner Kongreß von 1878, mehr noch in der Reichstags-eröffnung von 1893 geht Werners Arbeit nicht über die des ge-schickten Berichterstatters hinaus. Sem Fleiß und sein unleugbaresKönnen haben ihm nicht über die Klippe hinweg geholfen, die einBild von einem Knnftwerke trennt. Sein Realismus half ihm sowenig wie seiu französierender Idealismus. Das Entscheidende auchin der Kunst ist immer der Mensch und sein Wert. Und den kannman selbst auch bei gutem Willen schwer ändern.

Menzels Begabung läßt sich eben nicht lernen. Es ist einZeichen seiner Art, daß er nie Schüler hatte. Einzelne stehenihm nahe, haben in manchen, in der Sicherheit des Blickes und dermalerischen Art ihm Ebenbürtiges zu schaffen gewußt, aber siestehen doch uicht in einem annähernd ähnlichen Verhältnis zu ihm,wie die Münchener zu Piloty . Sie lernen vom Altmeister, wie