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Die deutsche Kunst des 19. Jahrhunderts : ihre Ziele und Thaten / von Cornelius Gurlitt
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Leibl. Zerfahrenheit der deutschen Kunst.

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Überwinden der Einzelheit. Er ist im Ton sehr hell, sehr farbiggewesen, auch hierin Holbein vergleichbar- er ist sehr tief im Tone,sehr weich in den Übergängen, wenn es die Orttichkeit so fordert.Und er liebt sein stilles Bauernstübchen, dnrch dessen kleine verbleiteFensterscheiben ein gebrochenes Licht fällt. Er hat sich dnrch alleStürme, die in dreißig Jahren über die Münchener Ausstellungendahin gingen, aus seiner Rnhe, seinem Behagen, seiner innerenSelbständigkeit nicht Heransdrängen lassen. Er verschmerzte es,daß der Beifall, wenigstens der laute, ihm untren wurde; er sahohne Groll das Helllicht durch die Werkstätten blitzen und wiederverschwinden; denn seinem Wesen ist alles Schulhalten zuwider; ergehört uicht in die Herden, er ist in seiner Meisterschaft, in seinemMalertum stets für sich allein geblieben.

War in Menzel und Leibl und in wenigeu Mitstrebenden einWeg zum Neuen geöffnet, so fanden sich doch immer nur nochwenige, die zu seinem Betreten raten wollten. Man sah nur uochmehr Verwirrung, noch mehr jener Zerfahrenheit, die allen für dieZukunft Besorgten, nach Stil sich Sehnenden als ein schwererSchaden deutschen Schaffens erschien.

Schon längst gab es auch unter den Nichtkünstlern viele, dieihrem Mißbehagen lauten Ausdruck gaben. Ein Mann von derUrteilsschärse Conrad Fiedlers erkannte sehr wohl die Schwächeder Zeit, trotz dem äußeren Glänze mit dem die Kunst auftrat.Kleinere Geister sprachen dies unter heftigem Widerspruch derKünstler aus. Man lese die Streitschrift des Düsseldorfer Sitten-inalers Karl Hoff gegen Alfred von Wurzbach , der der deutscheuKunst Zersplitterung in allem Schaffen, daher Unwahrheit, Erstarrenin alter Form vorgeworfen hatte. Hoff sprach ihm nnd anderen dasVerständnis zum Urteil ab, wenigstens zu einem solchen, das für weitereKreise Giltigkeit habe. Die Frage, ob der Maler allein die Malereirichtig zn schätzeu wisse, beschäftigte eine Zeitlang die Federn. DieKnnst, die nicht für das Volk, sondern ein Gut bloß für wenige sei,wollten die Kritiker nicht gelten lassen; der Maler sagte ihneu,daß man im Schwimmbad allein den Menschen nicht verstehenlerne, daß nur der das wichtigste Gebilde der Kunst, den nacktenMenschen zu beurteileu wisse, der zeichnend mit seinen Formen sich