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VII. Das Streben nach Wahrheit.
vertraut machte. Müßiger Streit, der wieder darauf hinausging,daß es ein rechtes Urteil gebe. Als wenn die Maler stets echteKnnst erkannt Hütten, als wenn sie es gewesen wären, die kritischklarer gesehen hätten als die Kritiker!
Nach der Ansicht der meisten Maler wäre ja die neue Kunsteinfach abzulehnen, am besten zn verbieten gewesen. Wie lachteman über Courbet, als dessen scharf geprägte Aussprüche bekanntwurden: Das Wesen des Realismus ist die Verneinung des Ideals!Wie viel lauter lachte man, als seine Bilder kamen. Wie lachteman über Vöcklin. Ich erinnere mich noch des alten, ehrenwertenMalers, den ich vor das Spiel der Wellen führte: Alles falsch,alles falsch! sagte er kopsschüttelnd, Zeichnung, Farbe, alles falsch!
Auch Fiedler klagte über die Zersplitterung der Kräfte, überden Mangel an Einheitlichkeit im deutschen Schaffen, über einenSchaden, den er aus der Nachahmung so vieler alter Meister ableitet.Diese führe zur Unwahrheit. Sie wende sich nicht bewußt von der Natnrab, sondern die ganze Zeit gehe in einer künstlerischen Maske einher,da ihr ein eigenes Gesicht versagt sei; sie erscheine verstellt, er-künstelt. Es fehle ihr das Einfache, Selbstverständliche; sie suchedas Entlegene, Außergewöhnliche; sie gebe Stoffen eine Wichtigkeit, diesie. thatsächlich nicht haben, die aber die schlicht künstlerische Wirkungbeeinträchtigt; sie rechnet auf die Neugierde, auf die Platte, wie auf diesich wissenschaftlich gebende. Daher gelte der etwas, der neue Stoff-gebiete entdecke. Die Kunst diene dem Wohlleben, nicht dem Be-dürfnis; der Anteil an der Kunst sei kein Miterleben des künstle-rischen Thuns, sondern nur ein Entgegennehmen fertiger Leistungen;nicht Begeisterung, sondern behagliche Genußsucht; nicht Überzeuguug,sondern Laune, die stets nach dem Neuen greift. Die Neuereraber wollen nicht dem Vergnügen dienen, nicht Sonntagsnachmittags-künstler sein, der Oberflächlichkeit des Publikums huldigen. Sie wollendas Echte erreichen, indem sie gegen sich selbst ehrlich sind. Nochniemals, so sagen sie, haben die Künstler die Natur in ihrem ganzenUmfang, in ihrer ganzen Nacktheit geschant; noch niemals habensie den Mnt gehabt, sie unerschrocken so darzustellen, wie sie ist.Die gesamte Kunst der Vergangenheit ist eine Beschönigung, eineVerfälschung der Wirklichkeit! Jetzt erst, da die Menschheit an-