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Die deutsche Kunst des 19. Jahrhunderts : ihre Ziele und Thaten / von Cornelius Gurlitt
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VII, Das Streben nach Wahrheit,

findet; er will diesem die Dinge, die er noch nicht kennt, deutlichmachen.

Als Fiedler in dieser Weise den Realismus schilderte, hatte inMünchen , wo er lebte, schon ein Anderer Einfluß auf die jungenGeister gewonnen, der Berliner Max Liebermann . Man nenntanch ihn einen Schüler Menzels. Aber er hat dem Altmeisterkaum mehr zu danken, als daß ihm durch dessen Werke die Augeugeöffuet wurden für moderne Kunst, daß er der erste Berlinerwurde, der in Paris sich mit der Hellmalerei aussöhnte und vondort schou 1873 als ein in seinen Absichten fertiger Künstler derälteren französischen Richtung entgegentrat.

Der Mittelsmann zwischen französischem Impressionismus undden deutschen Jungrealisten war der Ungar Michael Lieb, der sich,seit er sein madynrisches Herz entdeckt hatte, Mnnkaczy nannte.Liebermann sagte mir von seinem einstigen Lehrer, sein bestes Bild,Die letzten Stunden eines Verbrechers, sei Knaus in der BrüheLeibls aufgekocht. Leibl gab ihm den Ton, der nicht mehr insBraune ging, nicht mehr der alten Goldigkeit zustrebte, sondern dieTiefen in Schwarz zu geben wagte, aus dem Schwarz heraus-arbeitete. Von ferne schaut auch noch Rahl aus der Leinwaud desMadyaren. Während Leibl in der Stille fortschuf, sammelte Muukaezydie Lorbeeren. Die Kraft seiner Farben, die er jenem entlehnte,die Meisterschaft des Pinselstrichs, die er von ihm annahm, um siezu übertreiben, schuf ihu durch die ganze Welt große Anerkennung.Anch ich habe mich von der scheinbaren Selbständigkeit des in Paris gefeierten Meisters blenden lassen, solange ich Leibl nicht kanntennd mich die steigernde Übertreibung in Mnnkaezys künstlerischem Aus-treten noch nicht abstieß. Er war an der Seine als ein beachtens-werter Fremder von vorzüglicher gesellschaftlicher Begabung gern ge-sehen; er blieb auch der dortigeu Kunst gegenüber ein solcher nnd brachtedie seinige in Deutschland als eine französische an den Mann. Esist in seinem Schaffen ein Zug von Entgegenkommen, von Gefall-sucht, der rasch für ihn einnimmt. Er hat glänzende Eigen-schaften, aber keine wirkliche Tiefe. Darum kam er auch, trotz seinemStreben ueu zu sein, stets eine Nasenlänge zn spät. Als dieDarstellungen des Lebens Christi in Uhdescher Auffasfnng schon die