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VII. Das Streben nach Wahrheit.
jetzt so unscheinbar wirkende Bild selbst. Da steckte etwas Packendes,Erfreuliches, Heiteres: ein neues Licht iu der Malerei. Was ichdamals sagte, ist später viel besser ausgesprochen worden, war vorherschon in Frankreich gesagt. Aber daß ich es selbst fand, daß wieUhdes Brief mir bestätigte, ich das Rechte gefunden habe, das gabmir den Mut, auch weiter das neu aufstrahlende Licht anderenerklären zu wollen.
Die deutsche Kritik wußte im allgemeinen kaum mehr überFrankreich als ich. Julius Meyer, Adolf Rosenberg, Ludwig Pfau habeu zwar über die Malerei Frankreichs geschrieben. Aber esfehlte im wesentlichen die Anschauuug. Nachdem knrz vor dem Kriegeauf der Müucheuer iuteruatioualeu Ausstellung Millet, Corot ,Troyon, Courbet mit guten Bildern erschienen waren, hielten sichnach dem Zusammenbrnch des Kaiserreichs die französischen Künstlerdeutschen Veranstaltungen fern. Man sah wenig oder nichts vondem, was in Paris geschaffen wurde. Die deutschen Maler, die vordem Kriege dort gearbeitet hatten und nnn wieder einen Besuch ab-statteten, sanden sich doppelt zurückgestoßen, durch den Volkshaß nnddurch den völligen Wandel der Kunst: sie meldeten mit Schauder denVerfall Frankreichs in Schmutz, Häßlichkeit, Widrigkeit. Jetzt erstrecht hielt mau sich iu Berlin für „national", da die alte französischeHerrlichkeit geschwunden war, Berlin die Fahne idealer Schönheitfast allein ausrecht erhielt. Denn München erwies sich bald alsgründlich durchseucht vom Realismus.
Der ganze Haß der idealistischen Kritik — nnd diese war es,die allein in der Presse herrschte, allgemein das Wort führte undzwar unter dem Beifalle fast ganz Deutschlands , — traf zunächstauf Liebermann, als den ersten deutschen Hellmaler.
Die Hellmalerei trat gleichzeitig mit dem Realismus auf undwirkte wegen ihrer starken Tonverschiedenheit weit revolutionärerals Leibl. Zweifellos liegt iu ihr auch ein mächtiger Fort-schritt. Ich fragte einst einen klugen Rechtsanwalt, ob das nenebürgerliche Gesetzbuch rechtlich ein großer Fortschritt sei. Er ant-wortete mir, es sei ein solcher in dem Sinne, daß ans einen Schlagmit dem alten Recht der Ballast alter Erkenntnisse fortfalle, daßdas Recht von nenem modern durchgedacht und durchgearbeitet