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Die deutsche Kunst des 19. Jahrhunderts : ihre Ziele und Thaten / von Cornelius Gurlitt
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Lichtmalerei.

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wollte es das Gesetz. Die kalte» Widerlichter des blauen Himmelswaren kaum minder gefürchtet, im weißen Licht der Tagessonneerklärte man überhaupt nicht malen zu können.

Mit den Gegnern der neuen Auffassung, die in jedem LichtSchönheiten sieht, zu streiten, ist sehr schwer; es handelt sich darum,festzustellen, ob die Wahrheit wirklich erwünscht und ob die Wahrheitjener wirklich wahr fei. Ich gab mir oft die Mühe, den Spötternüber die malerischen Versuche der Jüngeren in der Natur zu zeigen,daß diese recht habeu, daß am sonnigen Mittag ein blaulichesWeiß, am Morgen ein tiefes Violett, am Abend ein rötliches Braun,endlich ein tiefes Blau über alleu Farben liege, ein so starker Ton,daß Nmriß und Lokalfarbc unter ihm verschwinden: sie sahen ihnvielfach nicht. Giebt es aber nun keinen Unterschied zwischen altemund jungem Rheinwein, weil ihn die meisten Tölpel nicht schmecken?

Aber doch ist es mir manchmal gelungen, in der Natnr Nicht-künstler von der Wahrheit jener Bilder zu überzeugen, sie erkennenzu lehren, wie licht der Tag und wie farbig das Licht ist. DerBlick zum Fenster hinaus gab zumeist die beste Anregung. Ichwies darauf hin, welchen Ton das weiß bemalte Fensterkreuz habe.Ist es schwarz, ist es tief grau? Mau kann sich ja deutlich davouüberzeugen, wenn man es für sich betrachtet, aus der Nähe, ohneHinblick auf das anstoßende Licht: es ist hellgrau. Draußen aberin der vom Fenster umrahmten Natur, dessen wird man baldinne werden, ist selbst am trüben Regentag, mehr uoch am hellenSonnentag nichts dnnkler als dies Fensterkreuz. Wer Freuden inder Natur haben will, der übe sein Auge im Abschätzen solcherWerte! Das offene Fenster im Nachbarhans erscheint als schwarzeÖffnung. Man vergleiche sie mit dem hellgrauen Fensterkrenzund man wird finden, daß dies Schwarz zumeist Heller als jenesHellgrau ist; zwischem dem Dunkel dort und unserem Auge liegtso viel helle Luft, daß sie das Dunkel völlig aufhebt. Diese helleLuft aber ist der Ton, der den Kritikern als kreidig an den Bildernmißfiel. Pecht fand noch 1887, Uhde habe nach dillcttantischemStudium, seit er aus Paris nach München gekommen, seine Bildermit Milch Übergossen, um das xlain air der Impressionistenherzustellen. Die meisten Altmeisterlichen haben bis heute noch