550
VII. Das Streben nach Wahrheit.
gott , der die Weltherrschaft erlangte, sondern er ist der Weltgott.Christus ist uns nicht der Sohn des Judengottes, sondern derSohn des Weltenschöpfers. Er steht über Volk und Zeit.
Daher kamen ernste Künstler zu der Erkenntnis: er ist derUnsere. Wollen wir Deutsche ihu finden, so müssen wir ihn imDeutschtum suchen. Die rationalistische Wissenschaft bringt unsden Herrn nicht; mit dem Erklügeln, mit der Wirklichkeit ist nichtsgethan; es mnß eine Wahrheit von innen heraus gesucht werden.Und die gesteigerten Menschen können wir nnr finden in derSteigerung dessen, was in uns selbst als Höchstes wohnt. DasMenschheitsziel liegt für den Deutschen in der Vollendung deutscher Tugenden. Als Deutschen suchte Christus der Düsseldorfer Eduardvon Gebhardt .
Als in Florenz Savonarola gegen die Verweltlichnng der Kunstaustrat, sprach er namentlich gegen das beliebte Mittel der Künstler,Leute ihrer Stadt in die Nachbarschaft des Heiligen zu stellen, jaselbst die Jungfrau im Gewände der Zeit zu schildern. Savonarola ^trat heftig gegen diesen Realismus als gegen eine Unsitte auf.Schon Klaus Slüter hat im 14. Jahrhundert die Adoranten,knieende Bildsäulen anbetender Fürsten in Zeittracht, dicht an diein unverkennbar typischem Gewand gehaltene Madonna herangerückt.Eben so die Brüder van Eyck. Das 15. Jahrhundert schritt hierinimmer weiter. Selbst die Heilige, endlich selbst die Jungfrau wurdemodisch gekleidet. Namentlich die Ansicht, daß das geistliche Gewandalt überkommen sei, führte dahin, die geistlichen Würdenträgernach der Zeittracht zu behandeln. Das 16. Jahrhundert gingimmer weiter in dieser Richtung; namentlich darin, daß es lernte,statt aneinandergereihter Gestalten bewegte Vorgänge zu schildern,die Menschen zu einander in geistige Beziehung zu setzen. Wenndie heiligen drei Könige dargestellt sind, kann man zumeist darausrechnen, daß der kuiende der Besteller des Bildes ist. Bei Dürer wird die Jungfrau, werden die Heiligen Nürnberger oder es streitetdoch das Streben nach möglichst starker Wahrheit mit der Er-kenntnis, daß sich die künstlerische mit der geschichtlichen Wahrheitnicht decke. Denn Dürer war so wenig naiv, wenn er auf seinemDreifaltigkeitsbild die sächsischen Fürsten im Kleid seiner Zeit malte,