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Die deutsche Kunst des 19. Jahrhunderts : ihre Ziele und Thaten / von Cornelius Gurlitt
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Der Umschwung. Das Suchen nach eigenartigen Männern.

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Frau blieb im ersten Saale erschreckt stehen. Was ist denn mitden Bildern geschehen? Wir standen vor Belazauez, vor Murillo.Die sind ja ganz schwarz! Und schwer gelang mir, ihr klar zumachen, daß ihr Empfinden, nicht die Bilder sich geändert haben.Denn schon mit Beginn der neunziger Jahre wnrde es selbst in denBerliner Ausstellungen überall hell. Die Erkenntnis, daß mit demdurch alten Firnis und Nachdunkeln erzeugten Ton der Galerie-bilder nicht künstlerisch weiter zu kommen sei, war die erste, diezum Durchbruch kam. Viel tüchtigen Künstlern versagte in besterAbsicht die Krast, sich auf das Neue einzurichten. Statt hell wurdensie iu ihren Bildern fahl. Biete versuchten bald wieder, wennauch meist vergeblich, sich zurückzubildeu iu ihre alte Art iu derErkenntnis, daß sie das ihnen einst als Bubenwerk erschienene Neueuicht zu erreichen vermögen. Wer einen Blick hinter die Wände derWerkstätten that, der konnte da manchen anderen Ton vernehmen,als den, von -dem die Presse berichtete. Die helle Verzweiflung derer,die mit der Zeit nicht fortkonnten; die wohl einsahen, daß der neuenKnnst die Zuknnft gehöre; derer, die sich mühten, wieder Schüler zuwerdeu, nachdem sie so lange als Meister gegolten hatten, die daein für sie Unerreichbares heraufkommen sahen, das sie vom Thronder Anerkennung notwendig herunterstoßen mußte; vor dem sie sichselbst und ihr Lebenswerk als verfehlt anklagten.

Bei der jungen Kritik tauchte dagegen ein neuer Geist auf:Früher urteilte man von der festen Grundlage der Ästhetik aus.Sie war der Herr, dem sich die Kunst zu beugeu hatte; uud derKritiker verwahrte die Schlüssel in das Heiligtum des Schönen.Vielen versagte er den Eintritt. Ein Feuerbach, eiu Böckliu wurdenvom Eintritt in das Reich des Ruhmes abgehalten. Aber in denKampf traten nun die ein, die im Nietzscheschen Sinne den Über-menschen suchten, oder im Sinne von Carlyle Heroen. BismarcksErscheinen, die Erkenntnis, daß nicht die Bildung und nicht dieTugend, uicht die Frömmigkeit und uicht der Gehorsam, nicht dieGelehrsamkeit und nicht das System die Völker zu Glanz erheben,sondern die geistesstarke Einsicht und Thatkraft des einzelnen Mannes,drang immer kräftiger hervor. Man begann nicht nach einem ästhe-tischen Gesetz, sondern nach Künstlern zu suchen; man lernte die Eigenart