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Die deutsche Kunst des 19. Jahrhunderts : ihre Ziele und Thaten / von Cornelius Gurlitt
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VII, Das Streben nach Wahrheit.

daß er ganz fremdartig gefärbt, beim Einleben in den Ton aberdoch rosig erscheint; Lichtspiele der stärksten Art auf dem Körper,neben denen die eigentliche Modellierung nur schwache Werte er-zeugt, also etwa die durch Laub fallende Souue, und doch Klarheitim Bilde, sicheres Festhalten von Lokalton und Modellierung; dasAuflösen der Erscheinung im Licht, so daß die Umrisse völlig ver-schwinden, das von hinten einfallende Licht gewissermaßen denKörper verschlingt; der Schnee, weiß in weiß, mit der höchstenSteigung der Lichtmnsse durch die feinsten Übergänge zum dunkelstenTeil im Bild, einem leicht bläulich gefärbten Weiß; alle Spieledes Grün im Walde: Der Blick dnrch das Laub ins Sonnenlicht,das Flimmern der Lichtflecken im Wasser, die Einmischung desGrau nnd Gelb schwebender Nebel in alle Arten Laub. Dann dieeigentlich farbigen Versuche, vor allem der Kampf um das hellbeschienene Grün der Wiesen, nin den Frühling, um die Mittags-sonne. Dann jener um die Dämmerung in ihren verschiedenenTönen vom Rot zum Blau zum Schwarz, bei Festhalten deskräftig gefärbten Lokaltones.

Endlich die Zeichnung! Die Darstellung der Diuge, wie siesich dem Auge geben. Wie lange hatte man geglaubt, ein Zimmernicht so darstellen zu dürfen, wie es die Photographie giebt, wiees auch die geometrische Konstruktion giebt, also richtig. Manmüsse zwei Verschwindungspnnkte wühlen, da sonst das Bild ver-zerrt, unschön erscheine. Man erhalte zu viel Draufsicht auf dasNahesteheude. Die Modernen malen, wie sie sehen, und sagen:So ist's schön! Darüber konnte man schimpfen, aber Beweise gegendiese Ansicht gab es nicht. Die Alten sagten, die Linien einesBildes müssen auf die Mitte oder doch auf einen nahe dieser be-findlichen Hauptpunkt hinweisen; die Neuen dachten eher daran,wie sie das Gesetz umgehen, als wie sie es erfüllen sollten. DieJüngeren uuter den Alten sagten, das Bild müsse mindestensbalanciert sein; dem stärkeren Effekt rechts müfse einer links an-nähernd entsprechen, damit das Bild nicht auseinanderfalle. Laßfallen! sagten die Jnngcn und freuten sich der unbalancierten Natur.Wo auch immer ein Gesetz galt, fanden sich Leute, die durch ihreBilder bewiesen, die Natur kenne das Gesetz nicht; die Kunst sei in