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VIII. Die Kunst aus Eigenem.
jene gehabt hatten, die man damals forderte. Man lachte über sie;aber nicht mit jenem boshaften Lachen, das den Impressionismusempfing, mit jenem Hohn, dessen Widerhall Zola im L'Oeuvre someisterhaft der Nachwelt znr Schande festzunageln verstand, sondernmit dem Lachen des Mitleids: Armer Narr!
Damals, Ende der achtziger Jahre, habe ich im gewissenSinne mit unter dem Eindrucke dieses Mitleids gestanden undhabe seinen Nachklang mitgefühlt. Ich wußte, daß Marees sichnur mit blutendem Herzen von seinen Werken losriß; daß es fürihn ein schwerer Entschluß war, den besten Inhalt seiner Werk-statt?, über die er so lange ein geheimnisvolles Dunkel gebreitethatte, nngcweihten Blick zu eröffnen; daß sein hochgespannter Stolznur dann den Schritt gewagt habe, wenn er hoffen konnte, ihndem Siege entgegen zu thun.
Bald darauf hatte das Schaffen Marees ein jähes Ende.Er starb nach kurzer Krankheit, gewissermaßen den Pinsel in derHand. Ein Held ans einsamem Schlachtfeld. Wenige Freunde umihn. Kein Feind vor ihm. Nicht ein Gegner hatte ihn gefällt,sondern seine Kraft hatte sich im Ringen mit sich selbst aufgezehrt.Unfertig stand sein Lebenswerk da. Kein Kunstwerk verkündet ganzdas, was er erstrebte.
Sehen lernen ist alles, pflegte Marees zn sagen. Der Gesichts-sinn ist der edelste und vornehmste des Menschen; seine Ausbildungdas einfachste und sicherste Mittel im steten Zusammenhange mitder Natur zu leben und der Schlüssel zu ihren tiefsten Geheimnissen.Aber es bedarf redlicher, aufopfernder Arbeit, diese Ausbildungzu erlangen. Es genügte ihm nicht, den Gegenstand, den er vorAugen hatte, getreu nachzubilden. Er wollte ihn in sich aufnehmenund aus sich heraus neu gebären. Darum war ihm die Studieuach der Natur nicht die eigentliche Kunstleistnng. Er spottete überjeue, die nur das Gesehene wiedergaben, also gewissermaßen ver-doppeln wollten. War er doch mit seinem Freunde Fiedler inseinen ästhetischen Ansichten eng verwandt. Vor allein kam es ihmdarauf au, dcu Raum darzustellen. Der Bildhauer Hildcbraudals dritter eines geistigen Bundes sieht hierin und in der Dar-stellung der Form das eigentliche Ziel der Knnst, die Kultur der