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Die deutsche Kunst des 19. Jahrhunderts : ihre Ziele und Thaten / von Cornelius Gurlitt
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VIII, Die Kunst aus Eigenem.

Und so ist denn das merkwürdige Werk von erstaunlicher Eigen-art der Auffassung. Der Dichter der Eroika in der leidenschaft-lichen Erregung der Schaffens auf einein Throne, der ein Sitztiefer Phantasie ist.

War es das Schicksal der neuen Kunst, daß sie von denKünstlern selbst zurückgewiesen wurde, namentlich von jenen, diezu Amt und Würden gelangt, an den Akademien und als AuS-stelluugsvorstäude das Heft in Händen führten, so mußten die neuenRegungen notwendig jene Städte meiden, in denen sie nur An-feindungen zu erfahren hatten.

Eine Stadt von ganz eigener Entwickelung ist Frankfurt a. M.Am Städtischen Institut besaß die alte Reichsstadt zwar eine ArtAkademie, an der mancherlei Tüchtiges geleistet wurde. Die eigent-lich fördersame Entwickelung lag aber nicht hier, sondern bei denSittenmalern, die in Frankfurt zusammenkamen. Die Stadt hatte jaeine Mittelstellnng zwischen Nord- und Süddeutschland, durch seinenHandel sogar eine über Deutschland hinausgreifende. Die Be-ziehungen nach Frankreich waren hier lebhaft, der Sinn für Seß-haftigkeit, das Heimatsgefühl jedoch nicht minder. Die Frankfurter waren arge Preußenhasser und eigentlich nur in Frankfurt verliebt;sie teilten die Menschen in Hiesige und Nichthiesige und wußtenganz genau, daß die heimische Art die bessere sei. Maler, wie AntouBurger traten auf, einer der ersten unter jenen, die die französischeFeinheit der Naturbeobachtuug mit einer an Ludwig Richter undSchwind mahnenden Unmittelbarkeit und Redlichkeit des Verhältnissesznm Bauern, zum kleinen Mann verband; Adolf Schreyer undTeutwart Schmitson, zwei von den Pferdemalern, die sich ihreKunst nicht auf Akademien, sondern im Stall, auf der Weide, imFeldlager und ans der Jagd geholt hatten und daher lange fürminderwertig galten, außer bei den nicht durch akademische BrillenSehenden; Peter Becker, der Mann, der mit dem Fleiß eines derZeichner aus der Jugendzeit der deutschen Prärafaeliten in die altendeutschen Städte hineinschaut, im Giebelgewirr jedes Fenster, imFenster jedes hübsche Mädchen und an ihrer Brust den Blumen-strauß sieht all das waren besondere Persönlichkeiten. VictorMüller, einer der ersten, der in Frankreich an Courbet tief